Ich bin gut genug! Du auch! Über innere Ansprüche an uns Eltern
In letzter Zeit befasse ich mich viel damit, was oder wer gut genug ist. Was gute Eltern ausmacht, was „gute“ Eltern von „schlechten“ unterschiedet. Aber auch damit, wann die eigene Anspruchshaltung in Stress ausartet und wie viel ernsthafte Pädagogik im Alltag sein muss. Und dabei komme ich immer wieder zum Schluss, dass ich eigentlich völlig im Reinen mit mir sein darf.
Auf Instagram habe ich neulich darüber geschrieben, was ich alles auf dem Plan hatte. Da standen solche Dinge wie Wäsche falten, die Toiletten grundreinigen (geputzt werden zumindest die Klobrillen täglich – nicht, dass hier der Eindruck geweckt wird, wir seien Schweinchen), Winterschuhe einmotten, ausgewogen kochen und dergleichen. Und das waren nur ein paar der Dinge, die ich täglich auf meiner kopfinternen To-Do-Liste habe.
Geschafft davon habe ich im Endeffekt: nichts. So wirklich gar nichts.
Man könnte also meinen, ich lag den ganzen Tag auf der faulen Haut, habe Däumchen gedreht und Löcher in die Luft gestarrt oder? Das Gefühl habe ich zumindest oft, wenn ich mich umsehe, die Wäscheberge erblicke, das Geschirr in der Spüle zwanghaft versuche zu ignorieren und nebenbei Nudeln mit Ketchup serviere.
Aber weißt du was? Es ist okay.
Statt meiner Liste – die heute übrigens auch wieder gefühlt von Berlin bis München reicht – habe ich andere Dinge gemacht. Dinge, wie ausgiebig duschen, den Termin bei meiner Frauenärztin wahrnehmen, Pausenbrote liebevoll schmieren und einen Kuss zum Abschied der Kinder verteilen. Ich habe Hausaufgaben begleitet (über Stunden!), mehrmals Auas weggepustet, den Keks in den Schlaf begleitet und gesungen, meinen Kindern zugehört, als sie von ihrem Schulalltag berichtet haben und mir vom Frosch den Unterschied zwischen Reparatilien und Dinotrux erklären lassen. Wir haben unsere Erdbeeren gegossen, im Kinderzimmer ein Picknick gemacht und ja, auch ausgiebig die Tablets zum Glühen gebracht.
Und es ist okay. Für meine Kinder ist das gut genug. Für mich ist es gut genug.
Klar habe ich noch immer die Anspruchshaltung, dass ich nicht unbedingt am Fußboden festkleben möchte und manchmal nervt es mich tierisch, dass morgens noch immer das Spülbecken voll ist und das Geschirr vom Abendessen zum Teil freundlich entgegen lächelt. Klar fände ich es schöner, wenn meine Kinder momentan nicht aus (immerhin nach Kind sortierten) Wäschekörben leben müssten, aber meine Prioritäten, meine Kraftreserven und auch meine Ansprüche sind momentan einfach woanders.
Wir genießen gerade noch die letzten Wochen, bis unser 6. Wunschkind schlüpft. Und nein, das Kinderzimmer ist noch lange nicht fertig. Das wird Manuel gestalten, während ich im Krankenhaus bin. Ich habe beschlossen, den Druck rauszunehmen, bis bei uns die Sommerferien starten. Bis dahin sind es immerhin noch fast 6 Wochen. Meine Kinder haben in den letzten Monaten (und eigentlich durch die ganze Pandemie) genug geleistet, sich angepasst und mit der Situation arrangiert.
Worauf ich hinaus möchte?
Ich lese und höre so viel, dass diese und jene Umgebung wichtig sei für Kinder, um ohne größere Schäden aufzuwachsen. Auf Social Media sieht immer alles wie geschleckt aus. Echte Accounts gibt es kaum, in denen die Kaffeetasse mit 3 Rändern auf der Küchentheke steht und die Stinkewindel noch auf dem Sofa liegt, weil das Brülläffchen sich gerade kaum ablegen lässt. Ich mach da nicht mehr mit.
Die Kinder tragen keinen Schaden davon, wenn sie Nudeln mit Ketchup oder Wurstbrote zum Mittagessen haben. Sie tragen keinen Schaden davon, wenn sie ihre Kleidung aus dem Wäschekorb statt dampfgebügelt aus dem Kleiderschrank ziehen. Und sie tragen sicher keinen Schaden davon, wenn ich entnervt die Tablets in den Ring werfe, damit ich durchatmen und Kraft sammeln kann. Im Gegenteil.
Soll ich meinen Kindern vorleben, dass man sich für von der Gesellschaft falsch gesetzte Ideale aufopfern soll? Ist die geschleckte Wohnung ein Burnout wert? Ich denke nicht. Dabei möchte ich niemandem absprechen, dass man eben gern in einer sauberen Umgebung lebt – das tun die meisten übrigens. Während ich diesen Artikel tippe, habe ich übrigens nebenbei immer mal wieder einzelne Kleidungsstücke aus den Kinderzimmern in die Schmutzwäsche geworfen. Aber die innere Anspruchshaltung – vielleicht auch geprägt durch das Umfeld – kann einen innerlich ordentlich zermürben.
Kinder haben mehr von entspannten Eltern
Klingt erstmal wie eine Floskel oder? Dachte ich mir urprünglich auch, als ich die Kinder ständig in die Zimmer wegrationalisiert habe, um putzen und aufräumen zu können. Aber es stimmt.
Wir leben alle hier. Ich kann und mag das alles gar nicht allein stemmen. Manuel ist eine wichtige Stütze hierbei und springt ein, wo er nur kann. Aber auch die Kinder tragen ihren Teil dazu bei, dass es hier rund läuft. Das muss ich nicht alleine wuppen.
Wie ich das meine? Solange die Kinder in ihre Teppiche in den Zimmern keine Essensreste einmassieren, ist es mir (fast) egal, wie viel Chaos darin herrscht. Es ist mir wurscht, ob sie draußen in Matsch spielen und sich dabei einsudeln. Dafür gibt es eine Waschmaschine. Und wer mit Dreckschuhen oder schmutzigen Fingern durchs Haus läuft, muss das eben im Anschluss beseitigen.
Es wäre gelogen zu behaupten, ich sei immer entspannt
Denn manchmal, wie neulich bei der Hausaufgabenbegleitung, als ich quasi sogar schon die Lösung ausgeplaudert hatte und eines meiner Kinder sich noch immer bewusst doof stellen wollte, wurde ich auch ungemütlich. Auch, wenn meine Grenzen überschritten werden, kann ich wirklich sehr vehement und garstig werden.
Aber weißt du was? Das ist okay. Meine Kinder brauchen keine Schauspieler. Sie brauchen Menschen mit Emotionen, die ihnen auch mal zeigen „Hey, das war blöd von mir. Tut mir leid!“ , nachdem man aus der Haut gefahren ist. Kinder brauchen auch mal die Rückmeldung, dass sie Grenzen überschritten und andere verbal, emotional oder physisch verletzt haben. Eben, dass wir Eltern Menschen sind. Und Menschen machen Fehler, verhalten sich manchmal daneben. Wichtig dabei ist nur, dass wir das auch reflektieren und im Anschluss besprechen können, findest du nicht?
Also nimm den Druck raus! Du bist gut genug!
Das beste Feedback wird dir dein Kind geben, wenn es abends strahlend berichtet, wie toll es war, Eis in der Badewanne essen zu dürfen oder barfuß in der größten Matschpfütze zu stehen. Ohne dass du geschimpft hast, weil die neue Hose nun Sprenkel hat. Das macht Kindheit aus. Nicht, ob die Sofadecke korrekt gefaltet im rechten Winkel zum Esstisch liegt.
Und wenn es mal nicht rund läuft, dann ist das auch okay. Dann hake es als Erfahrung ab, mit dem Gedanken, es am nächsten Tag besser zu machen. Wir alle haben mal den Wurm drin.
Und jetzt entschuldige mich. Ich muss nämlich meine Füße ins Planschbecken stellen, während die Kinder Sandburgen bauen. Das hat nämlich Vorrang.
Herzlichst, die Julie
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