Von Träumen – und der Realität
Vor zehn Jahren saß die Julie morgens in der Uni, trank ihren Kaffee, unterhielt sich mit ihrer Clique und erklärte ihnen, wie ihr Leben garantiert in zehn Jahren aussehen würde.
Die Julie von vor zehn Jahren hatte einen genauen Plan, was die Zukunft bringen sollte. Neben dem absoluten Traumberuf als Mittelschullehrerin und einem loftähnlichen Einfamilienhaus mit großem Garten träumte ich von einer Partnerschaft und vielen Reisen und häufigen Restaurantbesuchen. Kinder? Hatten in meiner Vision höchstens am Rande Platz, denn Karriere fand ich unheimlich wichtig.
In meiner Vorstellung saß ich mit Ende 20 im Lehrerzimmer, schlürfte genüsslich meinen Kaffee und unterrichtete die für Außenstehenden problematischen Kinder mit links.
In der Realität sitze ich nun mit Ende 20 morgens zwischen 5 und halb 6 mit Augenringen, die bis zum Kieferknochen reichen, am Frühstückstisch, trinke Instantcappuccino oder Kaffee und bete innerlich, dass der Tag nicht genauso anstrengend wird, wie die Nacht zuvor. Lehrerin bin ich auch nicht, denn das Studium hab ich an den Nagel gehängt, nachdem mir klar wurde, Schreibaby und Lernen sind unvereinbar.
Vor 10 Jahren war es mir egal, ob mein Mittagsmenü aus der Mikro, mit Zusatzstoffen versehen, aus artgerechter Haltung oder gar gut für meinen Körper war. Da ging es hauptsächlich darum irgendwas mit Tütchen zu zaubern – oder Essen zu gehen.
In der Realität heute mag ich oft nicht auswärts essen, weil ich viele Zusatzstoffe herausschmecke. Außerdem vertrage ich es gar nicht mehr, was zur Folge hat, dass mein Darm nach fast jedem Restaurantbesuch verrückt spielt. Außerdem habe ich mich zu einer richtigen Öko-Alternativmama ohne Tütchen, meist vegetarisch, dafür mit Eigenanbau von Gemüse und Obst entwickelt. Und das, wo ich Gartenarbeit doch so schrecklich fand, bevor ich Mama wurde. 😀
Bevor ich Kinder hatte, dachte ich, ich würde dann in einem perfekt geordneten Haushalt leben, hätte Zeit genug zum Putzen und wäre eine Vorzeigehausfrau.
In der Realität bin ich froh, wenn ich neben einem Dauertragling in Quängelphase, einem bockigen und Hausaufgaben verweigernden Schulkind und zwei sich immer streitenden Kindergartenkindern einmal am Tag saugen, nie leere Unterwäscheschubladen und sauberes Geschirr vollbringe. Wirklich. Dass meine Kinder Vorrang haben und dadurch eben einiges liegen bleibt, war mir vorher nicht bewusst. Sauber ist es hier trotzdem – immer dann, wenn angekündigter Besuch kommt. Ab und an muss ich dann doch den Schein wahren. 😀
Manchmal frage ich mich, was gewesen wäre, hätte ich diesen tollen Mann, der meine Pläne so über Bord geworfen hat, nicht getroffen. Wäre ich dann wirklich den Weg, den ich mir ausgemalt hatte, gegangen? Oder hätte ich anderweitig eine Familie gegründet? Wäre ich glücklicher oder gar unglücklicher? Ich denke nicht. Denn obwohl ich an vieles wirklich naiv und uninformiert herangegangen bin und das Leben so gar nicht nach meinen Plänen verlief, finde ich es wirklich gut, so wie es ist.
Auch, wenn die Augenringe sicher in den nächsten Jahren nicht sonderlich kleiner werden und die Sorgen mit den Kindern wachsen, bin ich zufrieden. Und glücklich. Sehr glücklich sogar. Denn das Leben ist das, was passiert, während du es planst. Und ich bin gespannt, was es noch für mich bereit hält, während ich von meiner Zukunft träume.