Entschuldigung, darf ich mal bitte ausbrechen?
Zwei Jahre. Seit zwei Jahren leben wir in einer Pandemie, jonglieren mit Jobs, Gesundheit und unseren Kindern. Seit zwei Jahren leben wir möglichst zurückgezogen, feiern keine großen Geburtstage oder Feste. Dieses alte Leben „vor der Pandemie“, ich weiß gar nicht mehr wirklich, wie das denn überhaupt ging. Und dennoch fehlt es. Manchmal würde ich gern aus dem Coronaalltag ausbrechen.
Der Alltagstrott macht mürbe.
So mürbe, dass es mich wirklich zunehmend nervt, täglich die gleichen Dinge zu machen und den Wocheneinkauf oder die heimliche Bestellung über den Mc Drive nach einem anstrengenden Tag und dem Spagat zwischen allen Bedürfnissen als Highlight ansehen zu müssen. Das ist kein Highlight. Das ist auch keine Me-Time. Das ist Überlebensinstinkt. Ohne den Wocheneinkauf gehen die Kinder ohne Pausenbrot zur Schule und unsere Möglichkeit, Vorratshaltung zu betreiben, ist bei 8 Personen auf 126 qm wirklich sehr begrenzt.
Dazu kommt, dass meine Hauptgesprächspartner*innen Kinder zwischen 7 Monaten und 12 Jahren sind.
Ich liebe meine Kinder. Sehr. Ich habe mich bewusst für diese Schar entschieden. Aber es ist eben was anderes, ob ich mit dem 2,5-jährigen diskutiere, ob er im Dunkeln noch durch den Matsch hüpfen darf oder ob ich mich über die Prien und ihre kinderfeindliche Haltung unterhalten möchte. Alltag vs. ein bisschen Anspruch fürs Hirn. Weißt du, was ich meine?
Und so versinke ich oftmals einfach in Sehnsucht.
Sehnsucht nach Zeit für mich allein. Zeit ohne Kinder und dafür unter Menschen. Ich habe Sehnsucht nach meinen Cocktailabenden, die ich bis zur Pandemie in unregelmäßigen Regelmäßigkeiten hatte. Ich würde gern mal wieder einfach eine Nacht in einer stickigen Disko durchtanzen, schlechte Drinks trinken und mich dann völlig ko am frühen Morgen von Manuel abholen lassen.
Und ich möchte einfach wieder ein erfüllendes Sozialleben, bei dem man nicht argwöhnisch schaut, ob der abfotografierte Schnelltest nicht von letzter Woche und da nicht doch eventuell ein Schatten eines zweiten Strichs ist. Ein bisschen positiv gibt es genauso wenig wie bei Schwangerschaftstests, nech?
Nein, ich habe es mir nicht so ausgesucht oder es so gewollt!
Weder habe ich bei den ersten 5 Kindern an eine Pandemie gedacht. Noch dachte ich, dass diese mich so mitnimmt und auslaugt. Covid_19 hat einiges erschwert. Die Leichtigkeit ist weg. Auch die Spontanität ist auf der Strecke geblieben.
Selbst, als ich mit dem Babymädchen schwanger wurde, hatte ich noch ein wenig Vertrauen in die Politik und die Hoffnung, dass sich das alles schneller auflöst, als wir alle denken. Tja, Pustekuchen. Stattdessen werden Querdenker mit Samthandschuhen angefasst und vorsichtige Eltern und Schattenfamilien als gefährlicher Mob betitelt. Danke für nichts.
Vor der Pandemie hatten wir Schnupfen. Heute haben wir möglicherweise ein kack Virus und verfallen beim ersten Schnodder ins tägliche Testen, um ja keine Gefahr für andere darzustellen und auf alle möglichen Eventualitäten vorbereitet zu sein. Das laugt aus. Mehr als mir lieb ist.
Also: Darf ich mal bitte aus dem Coronaalltag ausbrechen?
Ja, das ist ein Jammerpost. Denn ich vermisse dieses „Davor“ sehr. Die Unbeschwertheit. Nicht nur für mich, sondern auch für meine Kinder. (Nein, ich führe hier keine Diskussionen, warum ich Masken und Impfungen für essenziell halte!) Viele prägende erste Male fehlen vor allem den Teenagern.
Und auch das Politikversagen auf ganzer Ebene belastet. Denn würden unsere Kinder besser geschützt (sogar Luftfilter sind ja zu viel verlangt!), hätten wir wieder mehr Reserven für Leichtigkeit. Für mehr Leben und weniger Schadensbegrenzung. Weil Kinder unsere Zukunft sind und nicht realitätsverweigernde und über Telegram gebildete alte weiße Politiker*innen.
Ob es in nächster Zeit auch nur annähernd wie vor der Pandemie wird?
Ich glaube nicht. Die Durchseuchung läuft, wir Eltern und Kinder sind dem schutzlos ausgeliefert und können nur auf einen milden Verlauf und nicht vorhandene Langzeitfolgen hoffen. Resignation ist das momentan vorherrschende Gefühl. Denn für mehr fehlt die Kraft, nachdem wir über 2 Jahre alles getan haben, um uns zu schützen, solidarisch zu sein und die Kurve flach zu halten.
Und dennoch. Da ist dieser kleine Hoffnungsschimmer, dass wir zumindest im Sommer ein paar leichtere Momente erleben dürfen. Momente, um Kraft für den nächsten Herbst zu sammeln. Und dann fängt das Ganze von vorne an. Oder wie war das?
Die Julie
Merke es dir für später: