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Die eigenen Ansprüche und meine Grenzen

Manchmal muss man sich selbst ordentlich an die Wand fahren, um sich wieder sammeln und auf die wichtigen Dinge konzentrieren zu können. Manchmal muss man sich einfach eingestehen, wo die eigenen Grenzen sind und man den Ansprüchen an sich selbst nicht gerecht wird.

Meine Ansprüche an mich sind hoch – sehr hoch

Da wäre zum einen der Haushalt. Wenn ich morgens die Toilette reinige, kann ich mir sicher sein, bis abends Bremsstreifen vorzufinden, weil „es war ganz sauber, Mama!“. Wird das Haus gesaugt, wedelt nach spätestens einer Stunde ein Sandorkan durch die wichtigsten Räumlichkeiten und hinterlässt eine feine Schicht „Mama, guckst du dir den größten Erdmatschpampkuchen der Welt an?“.Bei den Zahnpastaresten im Waschbecken und den Speckfingerabdrücken auf den Spiegeln und Scheiben grüßt auch das tägliche Déjà-vu.

Und dann sollte ich auch noch den Kindern gerecht werden, ihnen Exklusivezeiten einräumen, liebevoll durch die Hausaufgaben und in den Schlaf begleiten, Mamataxi spielen, deren Termine koordinieren, die Lieblingskleidung stets parat haben und gelassen, verständnisvoll und euphorisch aufjubeln, wenn die Mäuse die neue Kleidung komplett mit Bastelkleber veredelt haben, um mir eine Karte zu basteln.

Im Grunde wollte ich eigentlich die Mama sein, die, wenn sie schon nur daheim sitzt, wenigstens Kinder und Haushalt im Griff hat und sich nicht schämen muss, wenn morgens um 7 jemand an der Haustür steht.

 

Das bin ich nicht. Ganz und gar nicht.

Versteh mich nicht falsch. Mir ist es wichtig, dass meine Familie in einem ordentlichen und sauberen Haus wohnt, dass wir alle genug zu essen und saubere Kleidung haben. Aber ich hasse es zu putzen. Ich hasse es, wenn ich mich mit dem Wischer abgequält und die Küchenfronten geputzt habe und dadurch noch eher sehe, dass direkt im Anschluss Kinderhände mit Gummistiefeln genau dieses Abmühen zunichte gemacht haben. Dabei mag ich es gar nicht steril.

Außerdem bin ich keine Spielemama. Ich gehe nicht darin auf, als Elsa Kunstblumen ins Haar geflochten zu bekommen oder 3 Stunden am Stück Memory zu spielen. Es ist nicht mein Lebenstraum, hellauf begeistert Matschkuchen zu probieren und euphorisch „Mmmmmh, das schmeckt aber gut!“ zu rufen.

Manch einen mag das schockieren, manch einer wird vielleicht auch sagen, wofür ich dann Kinder bekommen habe. Und manch einer wird vielleicht sogar verständnisvoll nicken.

Meine Grenzen wurden erreicht, überschritten und niedergetrampelt

Und so saß ich neulich da und konnte einfach nicht mehr. Die Kinderzimmer waren nicht mehr betretbar, im frisch geputzten Waschbecken klebte frische Zahnpastaspucke, seit Stunden hörte ich nur „Können wir? Machen wir? Tun wir?“ und ich quälte mich seit Ewigkeiten mit Kopfschmerzen aus der Hölle und hatte es bis nachmittags noch nicht einmal aus dem Schlafanzug geschafft.

Ich war einfach durch. Durch mit dem Haushalt, durch mit den Kindern und durch mit mir. Also saß ich da, alle Dämme brachen und ich heulte. Laut und wütend. Ich war traurig – und sauer. Auf mich selbst, auf die Kinder, den Mann und einfach alles. Aber hauptsächlich auf mich.

Was mache ich denn schon, bis auf das bisschen spielen und putzen und kochen? 

Und dann nahm mich der Herzmann in den Arm und drückte mich. Ganz fest. Und aus mir sprudelte es heraus, wie sehr es mich ankotzt, zu putzen, zu kochen, zu spielen, zu fahren, zu machen – und es kommt nichts zurück. Außerdem ist es doch gar nicht viel, was ich hier mache, nachdem ich mir ja sogar die Zeit frei einteilen kann.

Da schaute er mich an, wischte mit seinem Ärmel die restlichen Tränen und die Mascarapampe unter den Augen weg und zählte erst einmal auf, was ich denn wirklich den ganzen Tag mache. Neben dem bisschen spielen und kochen. So wenig war das nämlich gar nicht. Eigentlich war ich selbst erstaunt, was da so alles nebenher routiniert läuft, was ich gar nicht als Arbeit registriere. Dinge, die für mich eigentlich selbstverständlich waren.

Außerdem wurde mir bewusst, dass die Grenzen, die ich mir selbst einmal gesetzt hatte, von mir selbst niedergetrampelt wurden. Wir leben hier alle. Wir machen hier alle Deck und Unordnung. Doch nur einer – nämlich ich – beseitigt das Ganze. Der Herzmann hilft zwar wirklich viel mit, aber er ist eben nicht immer da. Einer muss für die Familie aufkommen.

Wer bitte braucht morgens um 7 schon ein steriles Haus wie aus der Werbung?

Also saßen wir da und überlegten, wie wir mir eine Entlastung und gleichzeitig der gesamten Familie wieder ein bisschen mehr Struktur geben könnten. Das geht nur über Aufgabenteilung. Wenn jeder ein bisschen macht, kann ich mich auf die eigentlichen Dinge konzentrieren, habe wieder ein bisschen mehr Luft und fahre nicht mehr gegen die Wand.

Den Mäusen schmeckte unsere Erkenntnis natürlich gar nicht. Klar hatten sie vorher schon im Haushalt geholfen. Der Weg zum Kompost und eine aufgeräumte Garderobe waren schon lange ihre Aufgabe. Aber Dinge, wie die herausgerissene Wäsche wieder sauber im Schrank verstauen, würde ich nun nicht mehr übernehmen. Und die Schlachtfelder in den Kinderzimmern würden kurzerhand in Kisten auf dem Dachboden landen, würden sie nicht selbst auf den Trichter kommen.

Auch das Mamataxi ist passé, denn wenn ich aufräumen muss, was sie liegen gelassen haben, kann ich nicht gleichzeitig Auto fahren. Hier spreche ich nicht von  einzelnen Legosteinen, sondern von Puzzlelawinen, Stolperfallen durch verknotete Springseile und in den Teppich einmassierte Essensreste.

Noch fällt es mir schwer, das Einstehen für mich

Bisher dachte ich nämlich, es sind Kinder. Und Kinder müssen spielen und toben und sorglos sein. Ohne Grenzen. Doch, wenn ich daran kaputt gehe und nur noch ausgebrannt und fertig bin, weil die Schadensbegrenzung meine komplette Zeit in Anspruch nimmt, bringt das weder ihnen noch mir etwas.

Ein bisschen fühle ich mich auch, als hätte ich versagt. Denn erst schmiss ich das Studium, weil nichts mehr ging und nun bin ich durch, weil mir meine eigenen Ansprüche zuviel wurden.

Langsam bin ich wieder aufgebaut

Ja, so nach und nach wird mir bewusst, dass ich mich selbst zu meinem eigenen Sklaven gemacht habe. Und dass genau das die Spirale angetrieben hat. Denn seien wir mal ehrlich: Wer würde nicht gern schon vor dem Frühstück ein geschlecktes Haus und aufgeräumte Kinderzimmer haben? Ist es kein tolles Gefühl, barfuß zu laufen, ohne in vorgekauten Laugenbrezelstückchen festzukleben?

Aber die komplette Verantwortung hierfür kann und will ich nicht mehr alleine tragen. Und gleichzeitig traue ich meinen Kindern dadurch etwas zu. Ich schenke ihnen das Vertrauen, dass sie auch etwas beitragen können und dürfen.

Wir gehen nun gemeinsam, statt uns einzeln durchzubeißen

Der Zwerg macht unheimlich gern Sockenmemory und liefert die Kleidung in die Kinderzimmer. Die Mädels wissen, was wo in welchen Schrank gehört und verräumen es dementsprechend. Auch die Windeln werden nun selbst abtransportiert, denn der Frosch weiß genau, wo sie hingehören. Das Lüften übernimmt nun die Große, denn die kommt am besten an den Fenstergriff.

Es sind nur Kleinigkeiten. Doch diese Kleinigkeiten helfen ungemein. Es lastet nicht mehr alles allein auf meinen – und des Herzmanns – Schultern. Wir „arbeiten“ jetzt gemeinsam an einem tollen Zuhause. Nicht nur ich für die Kinder. Sondern wir alle für uns.

Das und das Senken der Ansprüche hilft wirklich sehr. Natürlich beiße ich mir noch auf die Lippe, um nicht loszumotzen, wenn die Müslischüssel einsam und verlassen auf dem Tisch steht, während alle anderen ihren Weg zur Spülmaschine gefunden haben. Die Socken, die vor der Zimmertür statt vor der Waschmaschine liegen, stören mich auch. Aber sie machen mich nicht mehr wahnsinnig. Ich verzweifle nicht mehr daran.

Und wenn die Kinderzimmer nicht mehr betretbar sind und ich Angst haben muss, durch Stolperfallen Beinbrüche entgegenzunehmen, dann bringen sich die Kinder eben selbst ins Bett. Der innere Sklave ist ausgezogen.

Leb wohl, Idealbild!

Ich mag es noch immer sauber und aufgeräumt. Das ändert aber nichts daran, dass wir hier leben. Und das Leben hinterlässt Spuren. Dessen musste und muss ich mir noch immer bewusst werden.

Wer nun also morgens um 7 an meiner Haustür steht, darf gern auf einen Kaffee herein kommen und sich am Leben erfreuen. Und wem der Zustand um diese Uhrzeit nicht passt, dem zeige ich gern den Weg zu den Putzsachen.

Die Julie

2 Kommentare

  • Martina

    Diese Zusammenbrüche komnen bei mir auch in regelmäßigen Abständen. Ich habe nur ein Kind, 13, und arbeite „nur“ 32h/woche. Trotzdem schaffe ich es einfach nicht immer, die wohnung perfekt sauber zu halten, aus den gleichen grpnden – noch immer – die du beschrieben hast.
    Ich bin einfach kein belastbarer Mensch und oft so ausgelaugt, dass ich am nachmittag gar nichts mehr schaffe.
    Dazu kommt der Sohnemann, der einfach nicht das Bilderbuchkind sein will, das ich gern hätte. Und wenn Abends das Telefon läutet, schießt panik ein. Dann muss manchmal meun mann abheben, weil ich so angst hab, es ist wahrscheinlich ein Lehrer.
    Nein; ich kann dich verstehen, leb das beste Leben, das du leben kannsr, mehr muss wirklich nicht sein, auch wenn das manche vielleicht nicht verstehen

    • puddingklecks

      Liebe Martina,
      das klingt alles andere als schön. Da ist es umso wichtiger und wertvoller, dass dein Mann hinter dir steht und dich unterstützt. Fühl dich unbekannterweise gedrückt.

      Liebe Grüße

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