Entthronung durch ein neues Baby? Meine Erfahrungen und Tipps
Eigentlich stünde heute wieder ein Schwangerschaftsupdate an. Ich habe mich aber dagegen entschieden, weil mir dieses Thema gerade wirklich mehr unter den Fingernägeln brennt. Gerade in den letzten Jahren habe ich so viel über die Entthronung größerer Geschwisterkinder durch ein neues Baby gelesen. Geschichten über Geschwister, die sich plötzlich selbst wieder in Babys verwandeln, komplett unkooperativ agieren und sich ungerecht behandelt fühlen. Ich habe so viel gelesen, wie sehr die Ankunft eines weiteren Geschwisterchens die schon vorhandenen Kinder belastet und die Eltern an den Rand ihrer Kräfte bringt. Deswegen möchte ich da nun auch mal meinen Senf dazu geben.
Meine Erfahrungen mit der Entthronung durch ein neues Baby
Mittlerweile bin ich mit dem 6. Kind schwanger. Die Große durchlebt also zum 5. Mal die Zeit, in der sie ein wenig mehr Aufmerksamkeit abgeben muss. Für den Keks ist es das erste Mal. Und ich bin jetzt mal ehrlich und setze mich damit wahrscheinlich in die Nesseln vieler: Ich habe bisher bei keinem Kind eine richtige Entthronung oder Entthronungsphase erlebt.
Oder ich habe es auch einfach nicht auf Geschwisterrivalität bezogen, sondern darauf, dass sich das ein oder andere Kind gerade sprunghaft weiterentwickelt. Neid, Wut oder Missgunst dem neuen kleinen Menschen gegenüber, der dann zur Familie gehörte, gab es nie. Streit und Unstimmigkeiten ab einem Alter von etwa 1,5 Jahren gehörten dann eher dazu. Weil: Klar werde ich sauer, wenn du mir mein heißgeliebtes Kuscheltier wegnimmst und dich dann lachend damit hinter Mama versteckst! Und auch jetzt zanken sich zum Beispiel die großen beiden regelmäßig, was ich richtig und wichtig finde.
Für uns hat sich der geringe Altersabstand zwischen den Kindern als positiv erwiesen
Ein Vorteil bei uns war aber auch, dass die Große bei der Geburt der Prinzessin gerade einmal 17 Monate alt war. Kinder in diesem Alter verstehen noch gar nicht richtig die Reichweite, wenn man erzählt, dass da ein Baby in Mamas Bauch ist. Dass da bald nochmal jemand zur Familie gehört. Und an die Zeit alleine, bevor ihre Schwester kam, kann sich die Große so gar nicht erinnern. Vielleicht habe ich es auch einfach nicht wahrgenommen, weil die große ein Schreikind war und meine Nerven damals noch wie Drahtseile vorhanden waren. Das Thema Eifersucht oder Entthronung durch ein neues Baby hatte also auch kaum Raum zu wachsen.
Dazu kommt, dass mein Mann immer ein aktiver und präsenter Part in dieser Familie war. Der Fokus der Großen lag also nicht zu 100 % bei mir, sondern wurde fair aufgeteilt. So behielten wir das nach der Geburt, die nebenbei bemerkt total rasant ablief und somit keine lange Trennung hervorrief, bei. Im Nachhinein war das wohl ein riesengroßer Vorteil.
Die Schwangerschaft mit dem Zwerg war – im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Schwangerschaften – ziemlich schwer und geprägt von strengen Kontrollen und einem längeren Aufenthalt im Krankenhaus. Sie endete dann mit einem spontanen Kaiserschnitt zwei Tage vor dem festgelegten Termin. Auch die Prinzessin war damals keine 2 Jahre alt, als sie ein kleines Geschwisterchen bekam. Sie war anfangs ein wenig zurückhaltend, aber auch wütend auf mich, weil sie ihren Bruder durch die Umstände seiner Geburt und meines Zustands nicht direkt sehen durfte. Aber das Gefühl, den Platz, die Aufmerksamkeit oder ähnliches verloren zu haben, ihr Brüderchen empfing sie aber mit offenen Armen und Neugier.
Ist ein großer Altersunterschied ein Problem?
Ein wenig Sorgen machte ich mir tatsächlich, als der Keks sich auf den Weg machte. Nicht gerade, dass die Geschwister ihn ablehnen könnten, sondern ob ich der Aufgabe gewachsen bin. Immerhin liegen zwischen den letzten beiden Kindern fast 4 Jahre. Die Sorge war teilweise berechtigt, denn der Keks war ein verdammt anspruchsvolles und willensstarkes Baby, das bis heute, kurz vor seinem zweiten Geburtstag nicht ans Durchschlafen denkt und vom Wesen her sehr der Großen ähnelt. Er war eben eines dieser klassischen Schreibabys, von denen man immer mal wieder gern liest, das stundenlang ohne ersichtlichen Grund weinte, sich kaum beruhigen ließ.
Die Kinder merkten, dass ich am Limit war. Dass ich nicht so konnte, wie ich wollte. Aber sie waren auch in einem Alter, in dem sie verstanden, dass es nun einfach auch nicht anders ging. Dies habe ich ihnen aber auch immer und immer wieder erklärt. Und Kinder sind unheimlich kooperativ, solange es für sie Sinn ergibt.
Im Nachhinein glaube ich tatsächlich, dass der größte Vorteil bei uns war, dass keines der Kinder je bewusst „Einzelkind“ war. Aber ich weiß auch, dass unsere Familienplanung sehr individuell ist. Und was auf uns passt, muss nicht auf dich passen.
Tipps für einen gelungenen Start mit dem Geschwisterkind
Die Ankunft eines Geschwisterkindes ist immer etwas Neues, etwas Spannendes und manchmal macht es auch einfach nur Angst. Deswegen möchte ich dir aus meiner Sicht ein paar Tipps auf den Weg geben, wie diese „Entthronung durch ein neues Baby“ nicht als solche empfunden wird und die Umstellung so angenehm wie möglich für alle verläuft.
Wenn das erstgeborene Kind ein Geschwisterchen bekommt,
ist das meist einschneidender als wenn sich nach einem zweiten oder weiteren Kind noch ein Wunder ankündigt. Wichtig hierbei, damit keine Eifersucht oder das Gefühl der Verdrängung entsteht, ist, folgendes:
- Beziehe, so gut es geht, deinen Partner mit ein. Dass dein großes Kind nicht den alleinigen Fokus auf dich und deine Aufmerksamkeit hat, ist richtig wichtig. Gerade er sollte in den ersten Wochen und Monaten, die das Geschwisterchen da ist, deinem großen Kind zeigen „Du bist wichtig!“ . Während du mit dem Wochenbett, dem Neuankömmling und der Ordnung deiner Hormone beschäftigt bist, ist es essenziell, dass dein Kind sich dennoch von einer weiteren Bezugsperson, eben dem Partner aber auch Oma und Opa weiterhin liebevoll umsorgt fühlt. Das heißt nicht, dass du als Mama komplett aus dem Schneider bist. Du kannst nämlich auch dem Partner das Baby in den Arm legen, damit du Exklusivzeit für dein großes Kind hast.
- Lass dein Kind von Anfang an teilhaben. Teile deine Freude über das Geschwisterchen, lass es die Bewegungen über den Bauch mitfühlen, bei der Namenssuche aktiv beteiligen. Sprich aktiv über das Baby in deinem Bauch und frag dein Erstgeborenes nach seiner Meinung. Dabei können Bücher, die altersgerecht erklären, was in deinem Bauch vor sich geht und wie die erste Zeit sein wird, unheimlich helfen.
- Gib aber auch den negativen Gefühlen deines Kindes Raum und versuche, die Ursachen dafür zu erläutern. „Ich verstehe, dass du Angst vor der neuen Situation hast. Und ich verspreche dir, ich werde mein Bestes geben, damit du dich nicht zurück gesetzt fühlst.„
- Und ganz wichtig: Räumt euch allen genug Zeit ein, in der neuen Situation anzukommen.
Die Umstellung von 2 auf 3 oder mehr ist nicht mehr so gravierend.
Gerade das große Kind kennt diese Situation schon und das Geschwisterkind kennt es nicht anders als mindestens im Doppelpack. Wichtig ist hierbei:
- Vergiss das Mittelkind/die Mittelkinder nicht. Die gehen nämlich in größeren Familien gern mal unter. Das erstgeborene Kind hat seinen festen Platz, das Nesthäkchen hat seinen festen Platz, das Mittelkind muss sich erst einmal neu orientieren.
- Versuche, immer wieder Exklusivzeit nur für ein Kind einzuräumen. Ob das zwei Minuten „Schnick Schnack Schnuck“ sind oder ihr kuschelt auf dem Sofa oder du nimmst dein „Exklusivkind“ auch einfach nur zum Einkauf mit. Diese Zeit ist wertvoll und vermittelt auch den Mittelkindern „Ich bin Mama wichtig, ich werde nicht vergessen!“ .
Geschwisterrivalitäten kann man nie ganz vermeiden.
Es wird sich immer mal wieder eines der Kinder zurückgesetzt fühlen, weil du eben nur eine begrenzte Kapazität an Aufmerksamkeit, Nerven und Kraft hast. Und das schreibe ich dir, während hier ein Kind höchst unzufrieden mit seinem Vormittagssnack ist und eines sich ungerecht behandelt fühlt, weil es heute ausnahmsweise die Unterrichtsmaterialien für beide Grundschulkinder holen muss und nicht das andere. Aber man kann ein paar Dinge vermeiden, die diese Gedanken schüren.
- Vergleiche deine Kinder nicht. Es bringt weder deinen Kindern etwas, wenn du verkündest, dass das erste ja viel langsamer beim Weglassen der Windel als das dritte Kind war, noch bringen dich diese Vergleiche weiter. Sie bauen höchstens Druck und Neid auf.
- Jedes Kind hat seine Stärken und Schwächen und ist ein eigener kleiner Mensch. Vergiss das nicht und gönne jedem sein eigenes Tempo.
- Schaffe den Kindern Rückzugsmöglichkeiten. Vielleicht ist dein großes Kind gerade total überfordert mit der Situation und möchte einfach nur allein sein? Dann gib ihm die Möglichkeit und achte auch seine Bedürfnisse.
- Schaffe bei den größeren Kindern Verständnis und zeige den kleineren auf, dass manche Dinge eben doch mit dem Alter und der Reife verbunden sind. Ein „Weißt du noch, wie du damals mit 2 warst?“ hilft manchmal sehr, um aufzuzeigen, dass das größere Kind auch erst einmal wachsen und reifen musste, bevor es am jetzigen Entwicklungspunkt angelangt ist. Das ist kein direkter Vergleich, sensibilisiert aber sanft dafür, dass das kleinere Geschwisterchen manche Dinge einfach nicht so kann/macht, wie das größere.
- Die Eifersucht ist übrigens manchmal gar nicht mehr so groß, wenn man Kindern vor Augen führt, dass man es liebt und jeder sein Päckchen zu tragen hat.
Mein Fazit zum Thema Entthronung
Allgemein kann es sein, dass das ältere Kind sich bei der Ankunft eines neuen Menschleins erst einmal zurück gesetzt fühlt. Die Entthronung kann sanft aber auch unschön ablaufen. Dabei passiert es nicht selten, habe ich gelesen, dass Kinder selbst wieder „zum Baby werden“ , um Aufmerksamkeit und Liebe zu erhaschen. Bitte bedenke: Schimpfen und negativ verstärken ist der absolut falsche Weg. Geduld, Akzeptanz, Ursachenforschung und starke Nerven helfen viel mehr.
Auch wenn der Erziehungsratgeber des Bayerischen Landesjugendamtes behauptet, gerade Kinder mit sehr engem Abstand und gleichem Geschlecht hätten hohes Konfliktpotential, kann ich das nicht bestätigen. Es hängt so viel vom Charakter ab. Vom Charakter der Kinder und der Art, wie wir Eltern damit umgehen. Auch diesen glorifizierten Idealabstand von 3 Jahren finde ich ziemlich allgemein gefasst.
Abschließend kann ich dir nur sagen: Hab keine Angst vor der Entthronung. Hab keine Angst vor dem Schritt von einem auf zwei Kinder – wenn du dir das wünschst. Das Großziehen von mehreren Kindern ist immer ein Jonglieren von Bedürfnissen, Wünschen und Nerven. Aber man wächst mit seinen Aufgaben. Du wächst mit deinen Aufgaben. Das heißt nicht, dass es nie Streit gibt, denn den gibt es. Oft. Die Kinder werden sich immer wieder ihren Platz erkämpfen, neue Grenzen suchen und dir graue Haare zaubern. Doch das gehört dazu.
Herzlichst, Julie mit Nr 6 im Bauch
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