Familie werden, Paar bleiben – gar nicht so einfach
Familie werden, Paar bleiben. Auch nach mehreren Kindern eine große Herausforderung.
Neulich saß ich meinem Mann gegenüber, schaute ihn gedankenversunken an und mir rutschte ein „Du fehlst mir“ raus. Sein Blick sprach Bände, denn genauso geht es ihm momentan auch. Unser Alltag, mein Alltag, besteht momentan aus Stillen, Haushalt und den Kindern. Zwischendrin werden noch Termine wahrgenommen und die aktuelle finanzielle und emotionale Belastung trägt nicht gerade dazu bei, dass man sich Zeit freischaufelt. Oder auch freischaufeln kann. Denn das Baby, unser 5. Wunschkind, fordert jede Menge Aufmerksamkeit. Gefühlt stille ich den ganzen Tag. Und wenn der Keks nicht gerade gestillt wird, ist er in der Trage. An mir, an Manuel, oder auf dem Arm der Großen – die sich nebenbei immer freut wie Bolle, wenn sie den Keks haben darf. In der Zeit versuche ich entweder zu arbeiten oder bin damit beschäftigt, den anderen Kindern gerecht zu werden. Um dann, sobald der Babyjunge wieder nach mir verlangt, die Brust zu geben.
Damals, als wir die Große erwarteten, war das alles irgendwie einfacher. Ich lese so oft, dass das erste Kind ein starker Einschnitt in die Beziehung ist. Hier war das überhaupt nicht so. Vielleicht auch, weil wir so unvoreingenommen an die Sache heran gingen. Im Freundeskreis hatte niemand Kinder. Somit waren wir die Vorreiter. Es gab noch keine Geschichten über schlaflose Nächte, Horrorgeburten, Trennungen durch die zu wenige Qualitätszeit mit dem Partner. Das alles hatten wir nicht auf dem Schirm. Eigentlich haben wir auch keinen Gedanken daran verschwendet – und das war ehrlich gesagt auch gut so.
Wir rutschten damals einfach in dieses Elternding rein. Ohne großartige Vorkenntnisse – wenn man die Babysitterjobs mal außen vor lässt – und ohne vorgeprägte Meinung. Und wir nahmen die Situation an, denn anders kannten wir sie ja bisher nicht. Uns als Paar hat das nicht entzweit oder voneinander entfernt. Es hat uns zusammen geschweißt.
Daran haben auch die weiteren Kinder nicht großartig etwas geändert. Manuel und ich hatten Routine. Es lief einfach. Die Prinzessin war ein absolutes Anfängerbaby und der Zwerg, auch wenn wir einige Startschwierigkeiten hatten, war angenehm zu händeln. Und ebenso der Frosch fügte sich problemlos in die Familienkonstellation ein. Er lief eben (in der Trage) mit. Musste er aber eben auch. Und der Alltag lief, wie zuvor ohne großartige Ausreißer weiter.
Paar bleiben mit vielen Kindern bleibt oft auf der Strecke.
Nun ist es so, dass wir gereifter sind. Vielleicht auch ein bisschen reflektierter. Mit jedem Kind musste und konnte ich ein wenig zurück stecken. Da fielen dann eben die wöchentlichen Cocktailabende, die mir zuvor heilig gewesen waren, aus. Dafür luden wir unsere Freunde mehr zu uns oder nahmen sie kurzerhand auf Familienausflüge mit. Oder sogar in den Urlaub. Auch beim Friseur bin ich seit Jahren nicht gewesen. Das, was ich auf dem Kopf trage, ist das Resultat aus Youtube und einer Friseurschere, die auf Dauer einfach günstiger kam. Und auch der Herzmann machte Abstriche. Sein einziges Hobby, nämlich aktiv am PC zu spielen, wurde durch die Kinder immer weniger.
Heute spielen wir dafür Brettspiele mit Baby im Tragetuch, backen für sämtliche Feste Kuchen und bügeln Jeansflicken auf kaputte Hosen. Und aus unserer jährlichen Tradition, in den Europapark zu fahren, wurden viele Spielplatzbesuche, denn da hat jeder was davon. Das letzte Mal ohne Kinder waren wir, als wir gemeinsam einen Elternabend im Vorjahr besucht haben.
Doch mittlerweile habe ich das Gefühl, mich selbst aufgegeben zu haben. Mein Körper, mein Mamakörper, hat schon lange nicht mehr komplett mir gehört. Entweder war ich schwanger oder habe gestillt. Oder ich habe darum gekämpft, wieder schwanger zu werden. Gerade aktuell zehrt sie mich aus, die Situation. Denn ich gebe so viel Nähe, so viel Geborgenheit an unseren Keks, dass es mir schon fast zuviel wird. Nein, nicht nur fast.
Dabei fehlt er mir. Ja, die Nähe zu meinem Mann fehlt. Mir fehlt es, in Manuels Arm einzuschlafen oder einfach mal ein paar Minuten eng umschlungen da zu stehen. Und das, obwohl mir diese körperliche Nähe eigentlich momentan zuviel ist. Seine Nähe fehlt. Ich weiß, es geht ihm genauso.
Und auch Zeit für mich, für uns, gibt es kaum. Sicher sitze ich jetzt gerade hier und schreibe. Aber nebenbei unterhalte ich ein Kind beim Frühstück, sehe Manuel zu, wie er das Baby trägt und überlege, wie wir den Tag kinderfreundlich gestalten können. Der Kopf und auch die Gesamtsituation lassen kaum anderes zu, als eben zu funktionieren, zu planen und zurück zu stecken.
Eltern sein & Paar bleiben – ein Drahtseilakt.
Neben all den kleinen und großen Aufgaben sollte man aber sich selbst nicht vergessen. Das predige ich so oft anderen – und habe es mal direkt selbst nicht umgesetzt. Blieb ja auch keine Zeit für mich. Für uns. Da mussten Kinder zu ihren Hobbies gefahren werden, nebenbei tingeln wir ständig zu Ärzten und außerdem gibt es da noch die Arbeit, meinen Blog und das Baby. Manche Dinge sind selbst auferlegt, andere nötig und wieder andere dringlich. Aber, wie schrieb Nathalie? Irgendwann hat eben alles Priorität und man kann keine Abstriche mehr machen.
Ja, der Keks macht es dann momentan doch schwierig, dass da auch nur ein bisschen Zeit für uns als Paar übrig bleibt. Ich, nein wir, wir geben ihm gern die Aufmerksamkeit und die Liebe, die er braucht, um zu einem starken Kind und einer starken Persönlichkeit heranzureifen. Und auch, wenn ich innerlich oft fluche, dass unser Babyjunge die Flasche verweigert, was uns dann doch ab und an ein paar Freiräume schaffen würde, freue ich mich, dass er an der Brust so toll trinkt.
Doch für uns als Paar bleibt nicht viel. Intimität? Themawechsel bitte. Es ist schlichtweg zu wenig Raum für uns. Und der Tag hat auch nur 24 Stunden. Hätte er mehr, würde ich wohl genauso wenig schlafen und noch mehr für die Mäuse da sein. Der Wunsch nach Nähe – seiner Nähe – ist dennoch Thema.
Paar bleiben und die kleinen Momente nutzen
Und dennoch, neben all dem Vermissen und der Sehnsucht, finden wir ab und an zueinander. So schleichen sich Manuels Finger beim Autofahren immer zwischen meine. Ein kleines bisschen Nähe. Ein kurzer Blick, ob alles zwischen uns okay ist. Und ein kurzes Nicken, um dies zu bestätigen. Verbundenheit.
Oder das flüchtige Streicheln über meinen Rücken, wenn er an mir vorbei geht. Ein kleines „Hey, ich bin da.“ auf der Haut. Der Herzmann hätte auch so an mir vorüber gehen können. Tat er aber nicht, sondern hinterließ diese liebevolle Geste.
Und weißt du, wie sehr ich mich freue, wenn dieser wundervolle Mensch mir einfach so einen Kaffee mitbringt oder einen Termin ausmacht, den ich schon lange vor mir hergeschoben habe? Kleine Aufmerksamkeiten eben, die unser beider Leben erleichtern und den Druck erträglicher machen.
Denn da ist eben mehr. Wir sind mehr. Mehr als nur Eltern. Wir sind noch immer auch ein Paar. Ein Paar mit fünf wundervollen Kindern, die – berechtigterweise – auch Nähe und Liebe einfordern. Ein Paar, das sich beim Abschied einem sehnsüchtigen Kuss hingibt, um am Abend zu beschließen, dass es zu müde für Zweisamkeit und zu rastlos für Schlaf ist.
Und so saßen wir uns eben neulich gegenüber und ich hauchte ein „Du fehlst mir.“ in seine Richtung. Drei Worte, die einem „Ich liebe dich“ gleichzusetzen sind. Diese drei Worte, die so viel Sehnsucht nach meinem Mann, nach Nähe und Zweisamkeit ausdrücken. Ein kleiner Moment, der zeigt, wie nahe wir uns trotz der Distanz sind. Auch nach vielen Jahren und vielen Kindern.
Irgendwann wird es wieder anders für uns als Paar.
Gerade ist der Keks einfach furchtbar anstrengend. Nervenaufreibend. So ist das eben mit Baby. Aber ich weiß, dass es auch wieder anders wird. Dass sich unser Wunschkind wieder ablegen lässt oder sogar Dauerstillen schläft. Ich weiß, dass die Kinder ab einem bestimmten Alter, einem Reifegrad, merken und Verständnis aufbringen, wenn Manuel und ich einige wenige Minuten für uns brauchen.
Wir beide kennen das. Wir haben das schon vier Mal erlebt. Und dennoch ist es diesmal anders. Kräfte zehrender. Doch wir wissen, es wird besser. Das lässt uns die Situation annehmen und das Beste daraus machen. Die Gewissheit, dass wir das auch diesmal schaffen und wieder zueinander finden, hilft ungemein.
Und bis dahin heißt es, ausharren und die kleinen Momente aufsaugen und davon zehren.
Herzlichst, die Julie
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2 Kommentare
Julia
Verrückt. Als hätte ich das geschrieben, nur dass ich wahrscheinlich nicht so gute Worte gefunden hätte. Mir geht es im Moment ganz genau so! Aber wirklich genau so. Nur mit weniger Kindern?. Danke, ist schön zu wissen dass man nicht alleine damit ist. Auf Insta sieht man ja fast nur unfassbar glückliche perfekte Mütter mit ihren perfekten Kindern und ich denke mir schon manchmal, ob bei mir was nicht stimmt.
Ist doch verrückt, dass man den ganzen Tag von Menschen umgeben ist und sich trotzdem manchmal furchtbar einsam fühlt.
Liebe Grüße, Julia
Julie
Ich glaube, man redet auch einfach ungern darüber, wenn was nicht glatt läuft. Das Bild der perfekten Familie und purer Harmonie geistert noch in vielen Köpfen herum. Umso wichtiger ist es, das immer wieder zu thematisieren, damit andere sich nicht schlecht fühlen, wenn sie auf die Scheinwelt blicken.