Life,  Gedankenwelt

Ich gebe auf! Studium gescheitert

Bevor wir zu einer Familie wuchsen, studierten wir gemeinsam. Während er sein Studium mit links schaffte und scheinbar im Schlaf lernte – ich sah ihn seltenst in den einzelnen Kursen wach – musste ich mich oft zum lernen zwingen. Denn, im Gegensatz zu ihm, musste ich mir nun das Wissen „einprügeln“, das mir bis zum Abitur zugeflogen war. Als ich dann schwanger mit der Prinzessin, einer kleinen großen Maus und mit hohem Fieber durch das pädagogische Examen rasselte, reichte es mir. Nach langem Überlegen, Abwägen und starkem Hadern mit mir selbst, schmiss ich also hin. Mein Studium war gescheitert.

Nachdem die Prinzessin, als sie auf der Welt war, vom Herzmann liebevoll umsorgt wurde – er hatte sich soeben selbstständig gemacht – wagte ich einen neuen Versuch. Ich wollte Lehrerin werden. Unbedingt. Weil ich aber nicht mehr am Sudienort wohnte, musste ich pendeln. Daneben sollte ich für die Mäuse da sein, lernen, den Haushalt schmeißen, wenn der Herzmann nicht da war und auch als Freundin Zeit für meine Mitmenschen haben. Als der Zwerg unterwegs war, war das für mich das Zeichen, endgültig dem Studium, dem Lehramt – meinem Traum – den Rücken zu kehren.

Mir ging es nicht gut damit. Aber auch nicht schlecht. Man nahm es eben hin, denn die Kinder brauchten mich. Das, was mich aus dem Loch des Versagens zog, war die Liebe meines Mannes. Er versicherte mir immer wieder, dass er hinter mir steht. Auch wenn das Studium gescheitert und die Zeit damit verloren ist.

Dann wollte ich mir selbst beweisen, dass ich wenigstens einmal das durchziehe. Nachdem ich seit Kindestagen in einem ziemlichen Ernährungswahnsinn hänge, war die „Ausbildung“ zur Ernährungsberaterin mein Steckenpferd. Die Möglichkeit, zu zeigen, dass ich etwas durchziehe. Vielleicht, weil es schweineviel kostete, vielleicht auch, weil das Thema für mich unheimlich interessant und wichtig ist, zog ich es durch und bekam mein Zertifikat.

Hochmotiviert, weil ich das geschafft hatte, wollte ich mich jetzt an ein echtes Fernstudium trauen. Eines mit anerkanntem Abschluss mit Bachelor. EInes, mit dem ich irgendwann, wenn die Kinder mich nicht mehr brauchen und ihre Wege gehen würden, unseren Lebensstandard ein wenig erhöhen könnte. Meine Wahl fiel auf Bildungswissenschaften. Ich arbeite gern mit Menschen zusammen, bin recht kommunikativ und finde (Weiter-) Bildung unheimlich wichtig.

Doch es kam das Leben dazwischen. Vor drei Jahren stürzte ich im Januar scheinbar so doof, dass ich mit dem Hinterkopf auf der Bordsteinkante landete und mir eine dicke Platzwunde zuzog. Ich weiß nicht, wie ich fiel, warum ich fiel und wie ich wieder zurück ins Haus kam. Mir fehlen schlichtweg etwa 10 bis 15 Minuten. Jedenfalls war dieser Sturz nicht ohne Folgen. Neben einer Fahrt mit dem Krankenwagen, ziemlich hohem Fieber in den Tagen darauf und einer kahlen Stelle dort, wo ich aufgekommen bin, haben sich aber noch andere Folgen bemerkbar gemacht.

Mein Kopf funktioniert nicht mehr. Zumindest nicht mehr so, wie er soll. Manchmal habe ich Sprachaussetzer. In meinem Kopf stimmt das, was ich sage, die Worte kommen aber anders raus. Oder ich kann manche Worte einfach gar nicht artikulieren. Und die Konzentration ist einfach auch nicht mehr gegeben. Nach 10 Minuten muss ich unterbrechen. Die Buchstaben verschwimmen, es wird alles Matsch.

Außerdem ziehe ich doofe Dinge magisch an. 8 Wochen vor Ende des ersten Semesters ließ ich mir die Weisheitszähne ziehen. Das Ende vom Lied, waren höllische Schmerzen verbunden mit starken Medikamenten, weil sich eine Entzündung unter der Naht gebildet hatte. Ich war schlichtweg nicht in der Lage, zugedröhnt irgendwas in das eh schon nicht richtig funktionierende Hirn zu bringen. Dann war der Fuß ab. Schmerzen, Medikamente und die Unfähigkeit sinnvoll zu laufen haben mich das zweite Semester gekostet, obwohl ich gut auf die Klausur vorbereitet gewesen war.

Und jetzt sitze ich hier, nachdem ich tagelang schlecht schlief, weil ich wusste, ich schaffe es nicht. Ich wurde fahrig und traurig, in mich gekehrt. Es ging einfach nicht mehr. Wenn die Unterlagen vor mir lagen, ging dennoch nichts in den Kopf.  Schweren Herzens suchte ich das Gespräch mit dem Herzmann.

Ich habe versagt. Mal wieder. 

Er versteht es. Denn er sah mich die letzte Zeit leiden und kämpfen und ackern und Rückschläge wegstecken. Er sah, wenn ich Stunde um Stunde Paragraphen lernte und dennoch kaum eine Seite weiter kam. Und er erlebte mich, wie mir vor Wut auf mich selbst die Tränen liefen, weil es nicht so wollte, wie ich es mir einbildete.

Es war an der Zeit, mir einzugestehen, ich kann es nicht. Ich schaffe es nicht. Studium gescheitert, der Traum vom Abschluss dahin.

Jetzt konzentriere ich mich auf den Urlaub, um den Kopf frei zu bekommen. Um mich auf meine Kinder zu konzentrieren und wieder lachen zu lernen, mich selbst wieder zu finden.

Es bringt nichts, an etwas zu klammern, wenn man dadurch zerbricht.

Die Julie

8 Kommentare

  • Martina

    Hey, ich weiß, du steckst jetzt in einem ziemlichen Loch, aber da wirst du schon wieder rauskommen.
    Es klingt so abgedroschen, aber man muss wirklich nicht studiert haben.
    Ich schreibe das aus einer Position, von der ich mal behaupten kann, ich weiß, wovon ich spreche.
    Ich bin im ersten Studiensemester schwanger geworden und hatte dank begleitender antriebslosigkeit und konzentrationsschwierigkeiten auch nicht die kraft, irgendwelche Prüfungen zu schaffen.
    Also hab ichs geschmissen und hab ein kolleg versucht, in dem ich zwar im ersten jahr gescheitert bin, aber irgendwie hab ichs dann halt doch geschafft, also kein studium aber halt immerhin „irgendwas“.
    Weder mein mann noch ich haben also ein abgeschlossenes Studium, aber es geht uns in allen Dingen gut und wir haben beide Jobs in denen wir mit Studium auch nicht mehr herausgeholt hätten.
    Das hätte ich vor 13 jahren nicht geglaubt, aber es hat sich alles zum guten gewandt – und ich finde, wir haben uns das verdient. Genau wie du! Deshalb wird alles gut ausgehen, vielleicht nicht, wie du glaubst, aber gut!
    Beste Wünsche! <3

    • puddingklecks

      Danke dir! 🙂
      Nein, mir ging es eigentlich gar nicht um das Studium selbst. Ich wollte MIR beweisen, dass ich es kann und schaffe. Neben vier Kindern, einem Haus, einem Mann in Vollzeit, einem Blog und nicht gegebenen Betreuungszeiten.
      Vielleicht, wenn die Kinder größer sind, setze ich da nochmal an und mache was für mich. Aber es ist schon einmal ein Anfang, es einzusehen, dass meine Kapazitäten beschränkt sind.
      Und an dir sieht man ja auch, dass man auch mit Alternativwegen glücklich werden kann. Danke hierfür. 🙂

      Herzlichst, die Julie

  • Jelena

    Hey!

    Die Überschrift hat mich angelockt, weil es mir vor Jahren – mit ganz anderen Rahmenbedingungen – sehr ähnlich ging. Ich war mit dem eigentlichen Studium fertig, wollte promovieren, war in einer scheinbar glücklichen Beziehung… Und trotzdem. Irgendwie ging es nicht, egal, wie sehr ich dran zerrte und „wollte“. Ich hatte garnicht darüber nachgedacht, warum ich eigentlich eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen wollte, es kam mir einfach logisch vor. Genauso wie meine Beziehung, die nichts wirklich „holpriges“ hatte, aber einfach auch Routine geworden war. Vor mir sah ich einfach den klassischen akademischen 10-Jahres-Plan.

    Aus verschiedenen Gründen bin ich für ein halbes Jahr ins Ausland gegangen und habe da wirklich Alles umgeworfen. Mich getrennt, Promotion ENDLICH geschmissen und… aufgegeben. Das war alles nicht schön. Ehrlich gesagt fühlte es sich wie das endgültige Scheitern an, auf alles Ebenen. Zurück auf Null quasi.
    Trotzdem bin ich so froh, mich diesem Druck (der ja in erster Linie von mir selbst kam) zu entziehen.

    Bin zurück nach Köln gekommen, zu meinen Eltern gezogen und mir einen Kellner-Job gesucht. Viel ausgegangen, spannende Projekte im Kulturbereich gesucht, mich engagiert… ohne Druck.

    Und jetzt, 6 Jahre später, hab ich meinen letzten Job als Restaurantleitung aufgegeben, mir etwas in Teilzeit gesucht, damit ich meine Selbständigkeit vorbereiten kann. Habe einen Blog eingerichtet, hoste einen SupperClub und koche dort Menüs für wildfremde Menschen. Habe einen wunderbaren Mann kennengelernt, den ich im akademischen Umfeld vermutlich nie getroffen hätte…
    Klar, wenn ich meine damaligen Überflieger-Kommilitonen so sehe, kommt es mir seltsam und skurril vor, dass ich jetzt „kellnere“ – aber ich bin stolz drauf. Ich mache etwas, was ich aus vollem Herzen liebe – wer kann das von sich schon behaupten?

    Das Scheitern macht demütig und tut weh. Man denkt, wenn man nur fest genug will, MUSS es ja klappen. Aber es zuzulassen und zu akzeptieren, war für mich eine der wichtigsten Lektionen. Lass es zu. <3

    Akzeptiere es auch bei Dir! Nutze die Kraft lieber für die guten und produktiven Dinge in Deinem Leben 🙂

    • puddingklecks

      Hach, das klingt aber verdammt toll, was du aus deinem Leben gemacht hast! Nach einem glücklichen und zufriedenen Leben! Da kann ich mir mehr als eine Scheibe von abschneiden.
      Danke für deinen Erfahrungsbericht! 🙂

      Liebe Grüße, die Julie

  • Felicitas Dieterle

    Hallo, meine Liebe! Ich las Deinen Artikel und sage erst einmal zu Dir: Gratulation dazu, dass Du zu Deiner Geschichte stehst! Das ist schon mal die erste große Leistung, die Du erbracht hast! Dann möchte ich Dir sagen, dass ich mich selbst gut mit dem Thema Angst, Versagen, Selbstzweifel etc. auskenne. Ich denke, was Dir fehlt ist eine gründliche Analyse Deiner inneren Blockaden. Du schreibst, es ist Dein Traum, Lehrerin zu werden. Dann solltest Du ihn auch verfolgen. Dass Du Schwierigkeiten hattest, heißt erst einmal nur, dass Du für Dich noch den richtigen Weg suchst, den, der zu DIR und Deiner Lebenssituation passt! Was Deine neurologischen Probleme seit Deinem Sturz betrifft-da kann Dir sicher ein Logopäde helfen und natürlich zuvor ein Neurologe, der nochmals genau abklärt, was passiert ist und woran es liegt. Es gibt so viele Beispiele dafür, dass Menschen Dinge erreichen- auch unter erschwerten Bedingungen. Denk nur mal an Stephen Hawking, er hatte eine ganz schlechte Prognose für seine Erkrankung ALS, er ist heute 74 Jahre alt und ein hochdekorierter Physiker. Die Diagnose erhielt er als Student. Zusammen mit der Prognose, dass er wahrscheinlich keine 30 werden würde. Worauf es maßgeblich ankommt, ist mentale Stärke! Finde heraus, was es mit Deinen „unglücklichen Zufällen“ auf sich hat. Tu etwas, such Dir Unterstützung! Ein Coach, ein Logopäde für Deine Sprachschwierigkeiten… Wenn Du Deinen Traum verwirklichst, dann wirst Du wieder glücklich, glaub mir! Angst engt ein und verursacht langfristig Depressionen. Glaube jemandem, der es wissen muss! Es wird leichter sein, es wird für Dich zu bewältigen sein, wenn Du den Weg findest, der zu Dir passt! The only way out is up! Sehr herzlich Deine-Felicitas

  • Anuschka

    Auch ich finde mich in Deinen Zeilen wieder. Dennoch möchte ich Dir gern eines mitgeben: Es gibt Wege, die sind anstrengend. Sie bedeuten einfach Arbeit, Fleiß und Disziplin. Oftmals auch Tränen, weil man sich überwinden muss, unsicher ist, vergleicht und Ängste aufbaut. Und das ist auch in einem Studium so. Zweifelsohne. Es gibt aber auch Wege, die sind falsch, weil wir gegen den inneren Kompass laufen. Diese machen uns krank, müde und traurig. Manchmal glaubt man auch, dass der gewählte Weg der letztere ist. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte. Während meines Studiums hatte ich mit Dissoziationen während der Lern-und Klausurenphase zu kämpfen. Ich versemmelte eine Prüfung nach der anderen, wollte aufgeben. Versuchte es erneut. Immer und immer wieder. Letztes Jahr habe ich es dann geschafft und jetzt meinen Abschluss in der Tasche. Die Berufswahl war dann noch einmal ein Kapitel für sich. Was mir bei meiner Suche sehr, sehr geholfen hat, waren folgende „Methoden“, Bücher und Ideen.

    Lasse ich einfach mal hier, in der Hoffnung, dass sie Dir helfen! Alles, alles Liebe und niemals aufgeben! 🙂 Es geht weiter!

  • Lu

    Hey Julie,

    Kopf hoch! ♥ Ersteinmal danke für diesen offenen Post und die Einblicke in dein Leben, hört sich alles ziemlich quaotisch an ^^
    Manche Dinge sollen einfach nicht sein, und vielleicht sollst du ebe nicht studieren. Wer an Zeichen glaubt, könnte sich nun damit zufrieden geben.. aber naja. Ich denke, du wirst deinen Weg finden.
    Ich wünsche dir auf jeden Fall eine Menge Kraft.

    Liebste Grüße
    Lu

    • puddingklecks

      Herzlichen Dank für deine Worte. So langsam komme ich damit klar und fühle mich besser. Ohne mir den Schuldstiefel anzuziehen.
      Und ich merke auch, dass ich so einfach wieder bewusster für die Mäuse und mich selbst da bin. Ohne mit dem Kopf woanders zu hängen.

      Herzlichst, die Julie 🙂

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