Ob jemand nur Mama ist, arbeiten geht oder nebenbei Einhörner züchtet - es geht dich nichts an. Für mehr Solidarität statt Eltern-Bashing.
Life,  Gedankenwelt

Machst du auch „was richtiges“ oder bist du nur Mama?

Instagram nervt mich gerade mal wieder sehr. Seit ich auf dieser Social Media Plattform unterwegs bin, bekomme ich ungelogen täglich mehrere Anfragen, die mit Smalltalk starten (ich weiß schon, worauf es hinaus läuft) und irgendwann den Satz „Machst du auch was richtiges oder bist du nur Mama?“ raushauen. Wie, nur Mama?! Vor allem: NUR? Und das von Menschen, lustigerweise vornehmlich Frauen, die mich nicht im Ansatz kennen und nur – wenn überhaupt – einige wenige Bildausschnitte von mir gesehen haben. Nur Mama.

Eins vorweg: Als Mama kann man es nur falsch machen. Gibt man sein Kind früh in die Krippe, um arbeiten zu können, ist man die Rabenmutter. Behält man es daheim, hat man die Emanzipation an die Wand gefahren. Geht man in Teilzeit in die Arbeit, denkt man nicht an die Zukunft und die Rentenkasse. Besetzt man eine Vollzeitstelle, vernachlässigt man seine Kinder.

Kurzum: Wir sind die Versager der Nation. Und das seit Generationen.

Dass man aber andere Eltern – Mütter – aufgrund ihrer Lebensplanung mit Vorurteilen überschüttet, sie subtil niedermacht und ihnen ein schlechtes Gewissen einreden will, ist zum Kotzen!

Deswegen schrieb ich neulich auch auf Twitter, dass ich dem nächsten Menschen, der mir sowas vor die Füße rotzt, die Kinder wortlos für zwei Tage überlasse.

Nur Mama

Was oft dabei vergessen wird, ist, dass mein Tag auch nur 24 Stunden hat. 24 Stunden, in denen ich nach noch immer desaströsen Nächten drei Schulkinder für die Schule fertig machen muss, vormittags den kompletten Haushalt jongliere, nebenbei ein Kleinkind davon abhalte, an Steckdosen zu lutschen und ein Vorschulkind zu Übungen animiere, die sonst im Kindergarten gemacht würden. Aber ohne Kindergartenplatz bleibt das auch an mir hängen. 

Zwischendurch nehme ich Termine wahr, zum Beispiel mit der Logopädin und telefoniere in den Sprechstunden mit den Lehrkräften meiner Kinder. Ich schreibe Blogartikel, die dank der Werbung finanziert werden und koche. Ein Keks in der Autonomiephase hat derweil Spaß dabei, von einem Wutanfall in den nächsten zu verfallen und sämtliche Dinge, wie Windeln wechseln, Mittagsschlaf oder heiße Herdplatten in Ruhe zu lassen zu verweigern.

Seit der Halbwirbelentfernung in der Hessing Klinik in Augsburg gehört das Korsett zum Alltag der 11-jährigen.
Das Korsett gehört für die Große seit der Halbwirbelentfernung zum Leben dazu

Mittags kommen an zwei Tagen zwei von drei Schulkindern heim, an den anderen Tagen alle drei. Es fängt das Jonglieren um die Hausaufgabenbetreuung an, nebenbei möchten die kleinen beiden Kinder beschäftigt werden und Ausgleich durch Fremdbetreuung ist nicht. Dann kommen die wenig verbliebenen Hobbies dazu. Hobbies, die ebenso ein Mamataxi beinhalten, weil man nun einmal keinen Geigenunterricht vor Ort findet und es abends so dunkel ist, dass ich die Kinder ungern von anderen Tätigkeiten heim laufen lasse.

Vom Abend bis zur Bettzeit und den dann anfallenden Haushaltstätigkeiten muss ich wohl gar nicht berichten. Das sollte offensichtlich sein oder? Ach, was solls: Das Geschirr wäscht sich nicht von alleine und trägt sich auch nicht alleine in die Spülmaschine. Die Einkäufe fliegen hier auch nicht einfach so zur Haustür rein und bisher habe ich noch kein sinnvolles Mittel gefunden, um alle dazu zu bewegen, ihre Schmutzwäsche in den Keller zu bringen. Sauber wird es hier also sowieso nie sein. Zumindest nicht so, wie ich es gern hätte.

Gerade jetzt im Winter müssen die Matschspuren im Eingang beseitigt werden, weil das auf Fliesen einfach rutschig wird. Wer kleinere Kinder hat, weiß bestimmt auch, wie toll die Toiletten 20 Minuten nach der letzten Reinigung aussehen, weil „Is will selbääää!“ und so.

Und wenn die Kinder alle im Bett liegen (und „heimlich“ Switch und Tablet spielen), fange ich an, den nächsten Tag vorzubereiten, Termine abzuklären und hänge mit einem Ohr am Babyphone, um Manuel rechtzeitig anzustupsen, damit er den Keks nachts übernimmt.

Chips Fußboden Haushalt
Während man an der einen Ecke putzt, wird an der nächsten Ecke das nächste Chaos vorbereitet
Nur Mama … Weil Care Arbeit noch immer nichts wert ist.

Klar ist unsere Situation nochmal eine andere. So viele Familien mit 5 Kindern gibt es einfach nicht. Dazu keine Fremdbetreuung und ein Kind mit einer schweren Wirbelsäulen-OP, um das man herumplanen muss. Allerdings sind das Dinge, die ich eben auf Instagram und anderen Kanälen nicht komplett breit trete. Natürlich schneide ich sie immer mal wieder an, um einen Einblick zu gewähren, aber eben nur so tief, wie ich mich mit der Thematik wohl fühle.

Doch dieser Satz, ob ich NUR MAMA sei, oder auch arbeitstechnisch was wuppe, der verletzt mich. Vielleicht auch ein bisschen mehr, als es eigentlich sollte. Denn ich weiß, dass ich hier einiges leiste, was sich andere kaum vorstellen können. Denn mein Job endet nicht nach 8 Stunden. Das ist ein 24h-Job. Ich kann nicht sagen „Ey Leute, jetzt ist Feierabend. Sprecht mir auf die Mailbox und morgen kümmere ich mich um eure Belange!“. Heute Nacht zum Beispiel weinte der Keks so stark, dass ich mit wach wurde, obwohl Manuel bei ihm war. Kurz darauf stand der Zwerg neben mir, ob er bei mir schlafen dürfe. Um 4 Uhr war die Nacht vorbei. Am Samstag Abend gab es eine Rundfahrt zum notärztlichen Bereitschaftsdienst mit dem Kleinsten (by the way unser erstes Mal in 11 Jahren Elternschaft). Hätte ich da sagen sollen „Tut mir leid, mein Bereitschaftsdienst ist für heute beendet!“?.

Care Arbeit ist noch immer nicht sichtbar. Sie ist nichts wert, weil man nicht offensichtlich finanziell dafür entlohnt wird. Es ist selbstverständlich, dass Mütter – Eltern – sich aufspalten, innerlich zerreißen und gleichzeitig hören, sie bekämen nichts gebacken. Es ist gesellschaftsfähig, Mütter abzuwerten, wenn sie – bewusst entschieden – im klassischen Rollenbild leben. Und es ist scheinbar okay, sich aus kleinen, von mir ausgesuchten, preisgegebenen Situationen ein Bild zu schmieden, um darüber herablassend zu urteilen.

Nur Mama … Das hier ist ein Fulltimejob

Um das klarzustellen: Ich bin froh, dass wir die Option haben, dass einer von uns beiden sich komplett um die Kinder kümmern kann. Denn Vereinbarkeit ist hier einfach Fehlanzeige. Aber es ist eben auch ein undankbarer „Job“. Man wird nicht dafür bezahlt, bekommt pro Kind gerade ein paar Rentenpunkte hingerotzt und von außen heißt es, man mache sich das Leben auf anderer Leute Kosten schön. Nö! Einfach nö!

Wie oben beschrieben hat mein Tag auch nur 24 Stunden. Ich habe keine bewusste und mir zustehende Pause. Ich kann keinen Gehaltsnachweis vorzeigen, um aufzuzeigen, was ich Tolles leiste. Denn ich bin ja „nur Mama“. Das kann ja jeder.

Auch die Kinder möchten manchmal auf ihrem Schulweg begleitet werden. Ich bin dankbar dafür, dass ich das stemmen kann.
Wann immer zeitlich möglich, erfülle ich den Wunsch der Kinder und begleite sie zur Schule.
Solidarität vs. Stutenbissigkeit

Mir fehlt es, dass man sich nicht einfach solidarisiert. Dass andere Lebensplanungen und Wege akzeptiert und respektiert werden. Vielleicht fällt mir das auch nur so auf, weil es auf Social Media nur das eine oder das andere Extrem gibt. Entweder Honig ums Maul, dass man das selbst ja nie schaffen würde (was man gar nicht weiß, wenn man es nicht probiert hat) oder eben diese subtile Abwertung.

Sollten wir nicht eher darauf schauen, ob jemand zufrieden ist, wie es der Person mit der Situation geht? Ein bisschen erinnert dieses Bashing an Grundschulzeiten, als sich die Grüppchen bildeten, die sich gegenseitig in den Dreck zogen. Wir sind aber nicht mehr in der Grundschule, sondern erwachsene (und hoffentlich reflektierte) Menschen. Menschen, die über den Tellerrand blicken können sollten.

„Nur Mama“ – wie mir dieser Unterton sauer aufstößt.

Ist es nicht scheißegal, ob ich für die Betreuung meiner Kinder daheim bin, nebenbei rosa Einhörner für Preisgelder züchte oder meine Kinder fremdbetreuen lasse – aus welchem Grund auch immer? Warum müssen verschiedene Modelle immer wieder zum Thema gemacht werden, um eines zu finden, auf dem man herum hacken kann? Reicht es nicht, dass ich damit zufrieden bin? Dass das für uns die perfekte Lösung ist?

Würde ein Vater daheim bleiben, kannst du dir sicher sein, würde ihm applaudiert, dass er „seinen Mann“ stehe und für die Frau zurück steckt. Du kannst dir sicher sein, er würde Unterstützung erfahren, von denen wir Frauen träumen – weil es bei uns selbstverständlich ist, dass wir ohne zu murren Care Arbeit leisten.

Und um den Spieß nochmal vollkommen umzudrehen: Wie wäre es mit ein bisschen Dankbarkeit, dass ich keinem den Arbeitsplatz wegnehme, den ich nicht nötig habe? Dass ich keinen Kitaplatz besetze, den andere dringender brauchen? Na?

Klar ist das überspitzt und bissig, aber du kannst dir vorstellen, wie sehr mich diese dämliche Aussage wurmt. Denn ich leiste hier sehr wohl was. Und nebenbei führe ich übrigens diesen netten Blog, den du gerade liest. Neben dem Alltag mit 5 Kindern, der eigentlich genug Anstrengung für zwei Leben hat. Weil mir Aufklärung wichtig ist, weil ich diese ganzen Klischees nicht mehr hören kann und weil ich möchte, dass dadurch der Einblick in Großfamilien die typischen Reality Dokus wie die der Wollnys relativiert.

Wie gesagt: Es ist mir völlig wurscht, wie du dein Leben planst, wie du dich finanzierst, was auch immer du machst, solange du zufrieden bist. Aber das steht mir genauso zu. Es kann dir wurscht sein, solange ich damit im Reinen bin. Den Kindern geht es gut und uns geht es damit gut. Was will man mehr?

Überleg dir also bitte das nächste Mal, ob du mir diese Frage stellen möchtest. Und frag dich, ob es nicht wichtiger ist, dass ich glücklich bin, so wie ich lebe. Denn ich rede dir auch nicht rein oder werte deine Lebensplanung ab. Bevor du urteilst, lauf in meinen Schuhen.

Danke!

Herzlichst, die Julie

 

Merke es dir für später:

Subtile Abwertung von Care Arbeit im Alltag ist noch immer an der Tagesordnung. Warum wir viel öfter "Bist du zufrieden mit deinem Leben" statt "Bist du nur Mama oder machst du auch was richtiges?" fragen sollten! #carearbeit #hausfrau #mama #kinder #familie

Wenn du mich weiter unterstützen möchtest, folge mir gern auf FacebookInstagram oder Pinterest.

3 Kommentare

  • TAC

    Ich versteh dich total.
    13 Jahre lang war ich nur „Hausfrau und Mutter“. Beim Klassentreffen war an dieser Stelle das Gespräch beendet. Letztes Jahr kam Arbeit zu mir, ich hatte nicht gesucht, war mit meinem Pensum eigentlich ausgelastet und noch gar nicht zum Arbeiten bereit. Es war erstmal nur 1 Tag in der Woche für 5-7 Stunden. Die Jüngste 2,5 und noch nicht im Kindergarten, ein Mann mit heilendem Fuß (er hatte sich die Ferse gebrochen), mitten im Hausbau, in der Übergangswohnung im Dorf, wo man für jedes Bischen ein Auto braucht, Elterntaxi für die beiden Älteren, kompletter Haushalt… Ich kroch auf dem Zahnfleisch, es ging mir echt besch… Aber: Der Unterschied in der Anerkennung war riesig. Plötzlich war ich wer. (Wie es der Frau geht ist nicht wichtig, hauptsache Arbeit).
    Ist schon verrückt. Man braucht mehr Kinder in Deutschland, trampelt aber auf denen rum, die Kinder kriegen.
    Halt die Ohren steif, du machst das schon alles richtig, wenn es für euch so passt.
    LG von TAC

  • Clacolluma

    Tac ich finde Deinen letzten Satz richtig gut. Ich selbst war „nur“ 3 Jahre je daheim. Aber ich habe oft gehört, Du bist aber lange zu Hause geblieben. Und genau wie Du es beschreibst: Auf der einen Seite von der Oma, wer Kinder hat, arbeitet nicht. Und auf der anderen Seite „nur 15 Stunden“.
    Das ich aber jonglieren konnte, wenn mal wieder die Seuche in der Kita ausgebrochen ist und meine beste Freundin (und Kollegin) eingesprungen ist, wenn Junior die Nacht durchgekotzt hat, hat keinen interessiert. Mit 40 Stunden hätte ich das niemals hinbekommen. Genauso, dass ich quasi alleinerziehend war, da mein Mann beruflich einfach oft im Ausland war und ich trotz einer Nacht, die um 4 Uhr geendet hat(wie bei Dir), den Tag organisiert habe. Genau wie ihr beschreibt, kompletter Haushalt, Elterntaxi, Hausaufgabenbetreuung, Krankenschwester , dass ist ein Fulltimejob, leider ohne Anerkennung.
    Da hätte ich ja massig Zeit. Ich kann mich nur anschließen, Kopf Hoch, Du machst es genau richtig, es ist euer Lebensmodell. Und by the way, mit 5 Kindern würde ich auch daheim bleiben. Du bist Familienmanagerin, leider ohne Bezahlung.

  • Petra

    Also ganz ehrlich, wer sich wundert, warum in einer Familie mit 5 Kindern einer daheim bleibt und nicht arbeiten geht, der hat irgendwas nicht begriffen. Ich frage mich auch immer wieso sich so viele Leute daran aufhängen, was andere so machen oder eben nicht machen. Ich denke so lange die absolut grundlegenden und für alle geltenden Regeln (Gewaltfreiheit, Besuch einer Schule, … so was halt ) eingehalten werden, braucht sich keiner einmischen bzw kritisieren. Und vor allem dann nicht, wenn es sich um einen völlig Außenstehenden handelt.
    Ich persönlich finde, dass es sehr viel wert ist und Kindern sehr viel Sicherheit gibt, wenn sie sich darauf verlassen können, dass immer einer für sie da ist. Wir versuchen das hier auch so zu machen, allerdings nur mit drei Kindern. Da ich die Hauptverdienerin bin und mein Mann länger in Elternteil war, erscheint die ganze Sache bei uns halt irgendwie moderner…
    Also alles in allem: Hör nicht auf solche Leute, du weißt doch, dass du es richtig machst!

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert