Schluss mit dem Schummeln! Solidarität statt Haushaltstipps!
Gerade eben hat die Brigitte einen Artikel auf Facebook (ja, da bin ich zu meinem Leidwesen noch immer aktiv) geteilt, wie man die Wohnung in 15 Minuten sauber schummelt. Mein erster Impuls war „Oh, die Tricks will ich wissen“. Der zweite, ein paar Sekunden später war dann ein anderer. Denn eigentlich ist es doch traurig, dass wir anderen vorgaukeln wollen, wir leben in einem Ikea-Einrichtungskatalog oder? Haushaltstipps und Putztipps aus der Hölle.
Ich bin nicht die Sklavin meines Haushaltes!
Meine Oma sagte immer, man müsse sein Zuhause so sauber halten, dass man sich im Falle eines Rettungseinsatzes oder eines Todes nicht schämen muss, wenn fremde Menschen das Haus betreten.
Aber ernsthaft: Wenn ich den Notarzt rufen muss oder hier in meinen Armen jemand gestorben ist, habe ich sicher andere Prioritäten als ungewaschenes Geschirr und Fußspuren vom letzten Gartenbesuch. Wenn ich solche Not habe, dass ich den Notruf wähle, ist der Kopf sicher nicht mehr frei dafür, Dreck unter den Teppich zu kehren oder Geschirr im Ofen zu verstecken (was für ein absolut bescheuerter Tipp!).
Oder dieser Tipp, das Licht zu dimmen, Duftkerzen anzuschmeißen und leise Musik laufen zu lassen, um für Stimmung zu sorgen. Ich stelle mir hier eine kuschelige Wohnung vor, bei der spontan der Vermieter vorbei schauen möchte, weil der Wasserhahn auch nach Reparatur suppt. Da hilft es sicher, sich romantisch auf Finanzierungsgespräche und möglichen Schimmel vorzubereiten. Der Ex-Partner freut sich sicherlich auch, so empfangen zu werden, wenn er seine letzten Sachen abholt.
Ja, das ist überspitzt, aber ich bin ehrlich so so so genervt von diesen dummen Tipps, die nur ein falsches Bild vermitteln und den Druck auf den nächsten Gegenbesuch erhöhen!
Mehr Realität und weniger Druck!
Ich habe ja schon öfter darüber geschrieben, dass es hier nicht aussieht, wie geschleckt – außer man meint die Zungenspuren der Kinder an den Fensterscheiben. Hier leben Kinder. Und die erleben einfach viel und haben andere Prioritäten als ein lupenrein geputztes Haus. Dementsprechend sind dreckige Schuhe und Zahnpastareste an der Tagesordnung. Und das ist okay.
Wir haben eine Grundordnung und einen Haushaltsplan, den wir bestmöglich abarbeiten, aber auch das klappt manchmal einfach nicht. Da kommen kranke Kinder dazwischen oder ein Job oder Elternabend und manchmal hat man auch ehrlicherweise einfach keinen Bock.
Dass es nicht gerade so aussehen sollte, als hätte der Tasmanische Teufel von Bugs Bunny durchgewütet, ist doch klar oder? Ich glaube, niemand hier lebt wirklich dreckig, absolut versifft und in komplettem Chaos. Wir alle haben einen gewissen Anspruch, den wir halten, wie zum Beispiel saubere Toiletten und Böden, an denen man nicht festklebt.
Ich sauge zum Beispiel jeden Morgen nach dem Frühstück den Essbereich und Hausflur. Weil ich es als Barfußläuferin nicht mag, mir was einzutreten. Und der Tisch wird nach jeder Mahlzeit abgewischt, damit darauf gemalt, gespielt oder die Hausaufgabe erledigt werden kann. Das sind Dinge, die ich mache, damit ICH mich wohl fühle. Weil ich da lebe, nicht mein Besuch.
Aber ob da jetzt 5 Zeitschriften über den Tisch verteilt liegen oder Fingerabdrücke an der Scheibe kleben, ist doch sowas von wurscht. Ob sich da Wäschekörbe mit zu faltender Wäsche neben dem Sofa stapeln und das Geschirr sich in der Spüle stapelt, ist so egal, egaler geht es nicht.
Spontaner Besuch ist herzlich Willkommen!
Besuch, der hier vorbei kommt, besucht MICH und meine Familie und nicht mein Haus. Besuch, der hierher kommt, wird mit Freundlichkeit und Wärme empfangen und nicht durch ein Möbelhaus geführt.
Und natürlich sind hier Spuren davon, dass wir hier leben. Natürlich wirst du sehen, dass die Kinder im Sand gespielt und die Schuhe nicht VOR der Haustür, sondern danach, ausgezogen haben. Du wirst sehen, dass die Kinder hier satt wurden, weil noch genügend Reste auf dem Herd stehen. Und du wirst sehen, dass sie genug Kleidung haben, weil diese sich in Wäschekörben stapelt.
Das sind Zeichen davon, dass wir hier leben, lieben, gern Zeit verbringen und nicht nur existieren. Das ist vollkommen okay!
Jede*r hat ein anderes Sauberkeitsbedürfnis und Ordnungsbedürfnis.
Ich habe eine Freundin, bei der sieht es immer tippitoppi aus. Alles sauber, an seinem Platz, die Wände mit Kunstdrucken verschönert, die Pflanzen üppig und gesund und nirgends ein Körnchen Staub. Selbst das Kinderzimmer ist gut strukturiert und ordentlich. Das ist das, womit sie sich wohl fühlt, wenn sie zuhause ist und ich liebe es, bei ihr auf dem Sofa zu sitzen, gute Gespräche zu führen. Aber sie würde nie auf die Idee kommen, wenn sie mich besucht, die Nase zu rümpfen, weil ich dort daheim bin.
Sie hat einfach ein anderes Sauberkeitsbedürfnis. Aber auch andere finanzielle Mittel, die dies ermöglichen, während ich hier für die vierfache Menge an Menschen zuständig bin.
Und dann habe ich diese eine Freundin, bei der überall Nippes herum steht, Postkarten die Badfliesen tapezieren und man über eine Horde gut mit Matsch verkleideter Kinderschuhe in geordnetes Chaos eintritt. Auch hier liebe ich es, mich mit einer Tasse Kaffee aufs Sofa zu werfen und mit ihr lange und ausgiebig zu quatschen.
Ich besuche die Menschen und bin nicht die Putzbeauftragte, die überprüfen muss, ob auch wirklich der Müll alle zwei Tage raus gebracht wird. Solange ein liebevoller und respektvoller Umgangston herrscht, ist es mir beinahe komplett egal, wie und wo mein Gegenüber wohnt.
Zwangsputzen fördert nur den Druck!
Stell dir vor, deine Freundin, die du vor zwei Jahren zuletzt gesehen hast, kündigt sich spontan an, weil sie gerade in der Gegend ist. Die 20 Minuten, bis sie aufkreuzt, nutzt du dazu, um hektisch durch die Wohnung zu flitzen, zu saugen, frische Handtücher anzubringen und das Licht zu dimmen. (Sorry, über diesen doofen Tipp komme ich einfach nicht hinweg). Als sie auftaucht, entschuldigst du dich für das Chaos, während es eigentlich blitzeblank ist.
Deine Freundin nimmt unterschwellig wahr, wie sauber und ordentlich es ist und setzt sich vorsichtig aufs Sofa, weil sie die hübsch drapierten Kissen nicht umschubsen will. Du freust dich, dass sie sich so anerkennend umschaut. Im Anschluss bist du vollkommen ko vom Schein wahren.
Ein paar Wochen drauf möchtest du sie besuchen. Weil es bei dir aber so sauber und ordentlich war, wuselt sie Stunden vorher durch die Wohnung, räumt auf, stapelt die Zeitschriften ins Regal und backt frischen Kuchen. Die letzten 15 Minuten wischt sie sogar die Küchenschränke innen aus, falls du dir ein Glas nehmen willst. Sie möchte dir eben in nichts nachstehen und sich nicht die Blöße geben, mit zwei Kleinkindern, wovon eines die komplette Nacht geweint hat, fix und alle zu sein.
Du denkst dir, die hat ihr Leben aber im Griff. Und so schaukelt ihr eure Ansprüche an euch selbst, aber auch daran, den Schein zu wahren, hoch. In der Regel hat man ja nicht nur eine*n Freund*in, sondern zumindest zwei oder drei. Oder die Eltern der Kinder kommen spontan mit rein. So zieht das seine Kreise und wird immer weiter gereicht.
Wie schön wäre es, würden wir dazu stehen, dass es aussieht, wie es aussieht!
Wie schön wäre es, wenn man andere (Eltern), ohne vorher dem Druck zu putzen nachzugeben, einfach so zu sich in die Wohnung ließe und dadurch den Druck nähme, sie müssten es beim Gegenbesuch mindestens genauso sauber und ordentlich halten?
Ja, wie schön wäre es, würdest du mich besuchen und sehen „Ha! Die kocht auch nur mit Wasser! Wie ich!“? Und dann würde ich dich besuchen und wir beide würden sehen, dass es okay ist, wenn Kinder – Menschen allgemein – ihre Spuren hinterlassen, wenn sie wo leben. Das klingt schön oder?
Ich putze jedenfalls nicht (mehr) extra, wenn sich Besuch ankündigt.
Sch*** auf Haushaltstipps und Putztipps, um den Druck zu erhöhen. Klar hätten wir sicher gern immer schön gefaltete Wäsche im Schrank, den Boden frei und die Küchentheke leer. Aber das entspricht einfach nicht der Realität. Wir leben nicht in einem Möbelkatalog. Und wem es zu unordentlich oder dreckig ist, dem zeige ich gern, wo die Putzutensilien sind. Oder wahlweise den Weg nach draußen.
Herzlichst, die Julie
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2 Kommentare
Anne
Danke für diesen herzerfrischend ehrlichen Artikel, liebe Julie!
Ich kann dir nur zustimmen: das einzige was am Ende zählt, ist dass man sich selber in seinen vier Wänden wohlfühlt (okay, und dass sie nicht so dreckig sind, als dass es wirklich ungesund würde).
Ich selber bin ein ziemlich ordentlicher Mensch – ich fühle mich einfach nicht wohl, wenn Zeug herumfliegt oder ich in Brösel trete. Das lenkt mich ab und ich kann mich weniger gut auf wichtigere Dinge konzentrieren. Und da würde es definitiv nicht helfen, Zeug im Backofen zu verstecken (auf die Idee muss man erstmal kommen… herrje). Deswegen ist es hier tatsächlich meist ziemlich ordentlich und ich habe mir eine Routine erarbeitet, wo ich an jedem Tag der Woche bestimmte Räume putze (also immer montags die Bäder, dienstags die Küche usw.). Weil das gut funktioniert und Bekannte öfter fragen, wie ich das neben dem restlichen Leben hinbekomme, blogge ich auf Haushaltskram darüber… aber das halt mit der Intention, anderen zu helfen, die an ihrem Haushalt verzweifeln, und nicht ein „so muss das“ mit noch mehr Druck und perfektionistischen Ansprüchen in die Welt zu setzen. Ich frage mich gerade, ob das auf meinem Blog auch wirklich so rüberkommt oder ob ich das nochmal deutlich rausarbeiten muss.
Liebe Grüße
Anne
Julie
Liebe Anne,
ich danke dir für dein Feedback. 🙂
Deine Seite finde ich übrigens sehr informativ und liebevoll und keinesfalls belehrend oder in die Richtung dieses Brigitte-Artikels.
Viele liebe Grüße