Vom Druck, perfekte Eltern zu sein und den Leichen im Keller
Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich bin nicht immer ruhig und gelassen. Manchmal bin ich sogar ziemlich genervt, dünnhäutig und ja, sogar laut. Manchmal werde ich regelrecht ungerecht, weil ich mit einzelnen Situationen überfordert bin oder mich übergangen fühle. Und gleichzeitig fühle ich mich in diesen Situationen schlecht. Denn da draußen gibt es so viele perfekte Eltern. Egal, ob sie Kinder haben oder nicht. Eltern, die in vielen Situationen sicher pädagogisch wertvoller reagieren würden als ich.
Gerade, wenn man auf Social Media unterwegs ist, scheint der Druck nochmal erhöht zu sein. Schließlich ist dort alles clean und sauber und Eltern würden nie aus der Haut fahren, sich überfordert zeigen oder gar auch nur Schwächen zugeben. Kaum jemand spricht offen darüber, dass nicht alles glatt läuft. Die Blöße möchte sich neben all den Supereltern auch niemand geben.
Das Gras scheint woanders eben immer grüner.
Jetzt bin ich seit bald 12 Jahren Mama. Ich hatte also einige Zeit, mich in sämtliche Fettnäpfchen zu setzen, ziemlich viele Kinder zu verkorksen (ja, das sage ich nun einfach mal so plump) und auch einige Erfahrungen zu sammeln. Ich hatte Zeit, an mir zu arbeiten und abzuwägen, was ich gut mache und was weniger. Zeit, mir Gedanken zu machen, ob andere das wirklich immer alles besser, optimierter und leichter hinbekommen.
Und weißt du was? Andere kochen auch nur mit Wasser.
Klar erscheinen viele Familien auf den ersten Blick perfekt. Da gibt es zum Beispiel die Eltern, die immer die passenden Worte für ihre Kinder finden. Es gibt Eltern, die auch nach dem 20. Vorlesebuch noch immer enthusiastisch die Stimme des nächsten Protagonisten vertonen. Und da sind Eltern, die jedes Jahr den perfekten Urlaub gestalten. Eltern, die nie aus der Haut fahren, sich im Ton vergreifen oder auch nur „verdammte Kackscheiße“ denken würden.
Oder diese Eltern, deren Kinderzimmer schon vor der Familienplanung perfekt und nur mit pädagogisch sinnvollem Spielzeug eingerichtet war. Und kennst du die Familien, bei denen sich das Kind niemals nicht im Supermarkt auf den Boden werfen würde, weil es einfach so perfekt erscheint?
Glaub mir, die haben auch ihre Leichen im Keller. Die Mama, die furchtbar gern alle Rollenspiele mitmacht und auf Kinderstühlen „Tee“ schlürft, ist vielleicht eine unheimlich schlechte Köchin. Der Papa, der das Kind auf dem Spielplatz wunderbar durch einen Zornanfall begleitet, mag daheim nach Abfall der Abspannung vielleicht erstmal ins Kissen brüllen. Die Eltern, die ihren Kindern jedes Jahr den perfekten Urlaub gönnen, haben vielleicht im Alltag das Gefühl, zu wenig Zeit für sie zu haben.
Andere kochen auch nur mit Wasser. Andere haben auch ihre Päckchen zu tragen und laufen in für dich vielleicht nicht einsehbaren Dingen unrund. Ja, andere sind auch nur Menschen. Menschen wie du und ich.
Ich höre selbst oft, dass ich das alles hier so toll mache. (Erstmal danke dafür 😀 ) Aber das tue ich nicht. Ich habe mir nur gut ausgesucht, welche Kämpfe ich kämpfen möchte und in welchen Bereichen es mir schnurzpiepegal ist, welche (Außen-)Wirkung es hat. Wichtig ist hierbei nur eine große Portion Galgenhumor.
Deswegen weg von dem Gedanken, perfekte Eltern sein zu wollen.
Niemand ist perfekt. Wirklich niemand. Schau mal genau hin. Oder noch besser, schau hinter die Fassade. Da gibt es in jeder Familie mal Überforderung, laute Töne, Streit wegen Nichtigkeiten und Chaos, das sich vom Kinderzimmer auf die restlichen Wohnräume ausbreitet. Das ist das Leben. Und das Leben ist schön.
Du musst nicht perfekt sein – und deine Kinder auch nicht. Deine Kinder brauchen dich echt. Sie brauchen dich unverfälscht, mit richtigen Emotionen, mit Ecken und Kanten. So, wie du bist. Und solange du dich oft reflektierst, dein Bestes gibst und immer wieder an dir arbeitest, bist du auf einem grandiosen Weg. Denn dann bist du für dein Kind das beste Elter der Welt. Egal, ob du mal schimpfst, Geld für den Bäcker zusteckst, weil du vergessen hast, was für die Schulbrotzeit zu kaufen oder dein Kind in Socken über den Spielplatz rennt.
Und im Endeffekt sind es doch die Macken, die uns ausmachen. Die Macken, die uns zu Menschen machen, uns von Maschinen unterscheiden.
Also: Ein Hoch auf dich, du herrlich unperfekt perfekter Mensch! Auf uns!
Herzlichst, die Julie
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2 Kommentare
Daniela
Hallo Julie, der Druck ist wirklich enorm alles perfekt zu machen. Vielleicht sollte man wirklich davon Abstand nehmen und wenn man mal eskaliert, dann gibt’s ja auch noch das Resultat: Daran zu wachsen, sich entschuldigen…
Danke für die ehrlichen Worte 🙂
Julie
Liebe Daniela,
danke für deinen Kommentar. Ja, genau das. Mehr auf sich selbst besinnen, schauen, woran man selbst arbeiten möchte und vor allem auch kann und da angreifen.
Ich wünsche dir einen wundervollen dritten Advent!