Warum wir Weihnachten allein verbrachten und Verwandtschaft nicht gleichzusetzen ist mit Familie - ein Großfamilienbericht!
Life,  Gedankenwelt

Weihnachten allein – weshalb die Kernfamilie bei uns im Vordergrund steht

Heiligabend – ich setze einen Tweet ab, dass wir Weihnachten allein feiern und ich mich so sehr darauf freue, weil diese Weihnachtsfeste ohne Besuche oder Gäste einfach unheimlich entspannt und entschleunigt sind, und fange mir die Antwort ein, was das denn soll. Schließlich sind wir mit den Kindern mehr als andere mit drei oder vier Generationen.

Wow! So viel Empathielosigkeit muss man erstmal sacken lassen.

Denn dieser unsensible taktlose Kommentar hat mich ehrlich gesagt mehr getroffen, als ich mir erst einmal eingestehen wollte. Aus einer privilegierten intakten Familie heraus zu urteilen, weil wir uns für viele Kinder entschieden haben, ist ein bildlicher Schlag unter die Gürtellinie. Nicht jeder Mensch hat das Glück, ein (gutes) Verhältnis zu Eltern, Großeltern, Geschwistern oder anderen Verwandten zu haben. Aber es ist eben leichter, wild um sich zu schlagen, wenn man mit dem Wort „allein“ in Bezug auf eine Großfamilie kollidiert, statt nachzuhaken.

Ich habe schon einmal darüber geschrieben, dass ich einen Bruder habe, doch Familie ist das nicht. Wir sind Fremde für einander. Und das ist auch gut so. Mein Mann hat keine Geschwister. Und wir beide haben keinen Kontakt zu unseren Eltern.

Wir haben niemanden, der die Kinder mal spontan ein paar Stunden nimmt, damit wir durchatmen können. Nie. Ab und an springen Freund*innen ein. So etwa 1-2x im Jahr, wenn wir gemeinsam auf einen Elternabend gehen oder ein essenzieller Termin, wie der geplante Kaiserschnitt des Babymädchens, ansteht. Tolle Momente, um sich als Paar nicht zu verlieren oder? (Das war Sarkasmus!) Ansonsten haben wir nur uns.

Meine Kinder haben keine Onkels und Tanten, zu denen sie flüchten können, wenn die Eltern mal wieder total doof sind. Sie haben keine Cousins und Cousinen, die gleichzeitig ihre Freund*innen sind. Wir haben keine coolen Omas und Opas, bei denen die Kinder Zeit verbringen und all die tollen verbotenen Sachen, wie nachts heimlich unter der Bettdecke lesen und Schokolade essen, machen können. Denn manchmal muss man seine Kinder eben auch vor Menschen und Erfahrungen schützen, wie vor der Adoptivoma.

Sie haben die Ziehgroßeltern, die nun mit um die 80 Jahre körperlich einfach nicht mehr so können, wie sie gern wollten und denen – verständlicherweise – ein Tornado aus 6 Wusels auch einfach schnell zu viel wird. Und sie haben Freund*innen, die Manuel und mich schon seit der Jugend begleiten. Menschen, die wir zur Familie zählen, ohne den gleichen Genpool zu haben.

Also ja, wir hatten Weihnachten allein!

Nur Manuel, ich und die sechs Kinder. Unsere Kernfamilie. Wir hatten keinerlei Gäste oder Besuche. Weder von der Verwandtschaft – denn der sind wir herzlich egal -, noch von Freund*innen, denen ich von Herzen gönne, dass deren Verhältnis zu ihren Familien besser ist.

Wir haben uns bewusst Zeit genommen für uns. Für jedes einzelne Kind. Und dennoch waren unsere Herzmenschen gedanklich dabei. Da lagen nämlich Päckchen meiner Trauzeugin und Taufpatin zweier meiner Kinder unter dem Baum. Da lagen Aufmerksamkeiten unserer Herzmenschen aus München und dem Nachbarort darunter. Menschen, die sich bewusst dafür entschieden haben, unseren Weg zu begleiten. Nicht aufgrund eines Verwandtschaftsverhältnisses.

Ich glaube, vielen ist es gar nicht bewusst, wie privilegiert sie doch sind, haben sie – wenn auch seltener – mit ihrer Verwandtschaft Kontakt.

Denn das sind alles Erfahrungen, die unseren Kindern fehlen. Die großen Kinder haben noch meinen Opa mitbekommen, der mit ihnen über den Boden kroch und mit den Puppen spielte. Die kleineren Kinder kennen das nicht. Deren wenige Erfahrungen mit den leiblichen Großeltern waren hauptsächlich von Enttäuschungen geprägt. Ehrliches Interesse an den Kindern lag nie vor. 

Im Grunde waren wir immer auf uns alleine gestellt – mit Unterstützung der Ziehgroßeltern und meines Opas, bis er verstarb.

Deshalb muss ich – vielleicht ist das auch ein wenig vermessen – immer schmunzeln, wenn Menschen erzählen, sie hätten wenig familiäre Unterstützung und dann kommt raus, dass da Menschen im Hintergrund regelmäßig da sind oder die Kinder übernehmen und man sich nur nicht einig ist, wie viel Schokolade das Kind essen darf.

Diese Situationen gibt es hier eben nicht. Gar nicht. Nie. 

Familie begründet sich nicht durch den gleichen Genpool.

Das habe ich nun wieder und wieder erfahren müssen, auch wenn ich es mir für meine Kinder gern anders gewünscht hätte.

Wir haben uns wohl unsere eigene heile Welt zusammen gebaut. Unseren eigenen sicheren Hafen. Eine Familie, die im weiteren Kreis aus Menschen besteht, die uns auf unserem Weg begleiten und uns nicht fallen lassen, wenn ihnen unsere Meinung nicht passt. Die Kinder haben Bezugspersonen, die sie von Anfang an an der Hand nahmen, ein offenes Ohr für sie hatten und das Vertrauen der Kinder mit immer mit Respekt behandeln.

Und ich bin diesen Menschen so dankbar dafür, uns einen sicheren Rückhalt zu geben!

Für meine Kinder wünsche ich mir einfach, dass wir die Großeltern sein werden, die die Enkelkinder sich wünschen. Ich wünsche mir für meine Kinder, dass sie wissen, wir sind ihr sicherer Hafen, zu dem sie jederzeit zurück rudern können – egal, wie alt sie sind.

Wir werden es anders machen. Besser. Fairer. Denn wir reden, stehen mit unseren Kindern in Kontakt und reflektieren. Damit sie später nicht so allein dastehen wie wir.

Weil wir unsere Kinder bedingungslos lieben. So, wie es eigentlich überall sein müsste.

Herzlichst, die Julie

 

10 Kommentare

  • Amelie

    Liebe Julia,

    Ich lese deine Zeilen und finde mich darin wieder. Wir sind mit 6 Kindern auch alleine. Wir haben nur Kontakt zu meiner Mama. Sie ist unser Goldschatz und feiert mit uns Weihnachten, Geburtstage usw. Sie hilft wenn es Mal brennt. Da sie aber Vollzeit arbeitet und einen sehr anstrengenden Beruf hat, kann sie nicht, wie viele Omas es tun, jederzeit einspringen. Mein Mann ist mind 12 Stunden am Tag arbeiten. Er ist in einer führenden Position, da gibt es einfach keine 40 Std Woche. Zu meinem Papa besteht seit meinem 5. Lebensjahr kein Kontakt. Zu den Eltern und Geschwister meines Mannes, haben wir aus Selbstschutz, keinen Kontakt mehr.
    Leider haben wir irgendwie auch keine echten Freunde. Es ist schwer sich hier im Unterallgäu zu integrieren, wenn man „zugezogen“ ist. Irgendwie gehört man nicht dazu.
    Ihr seid nicht alleine mit eurer Situation. Ich drücke dich fest und schicke dir liebe Grüße

    Amelie

    • Julie

      Liebe Amelie,

      danke für deinen netten Kommentar! Ja, das Unterallgäu ist da sehr speziell, was „Neulinge“ anbelangt. Ich wünsche dir von Herzen, dass du noch Anschluss findest!

  • Saskia Fellner

    Liebe Julie,

    Es ist schade, dass ihr aus der Familie keinen Rückhalt habt, umso schöner aber, dass ihr Freunde habt, auf die ihr zählen könnt.

    Wir haben sehr großen Zusammenhalt in der Familie, aber auch haben wir uns dagegen entschieden, die Kinder ständig hin und her zu schieben, sondern wollen unseren Alltag selbst meistern. Die Kinder können jederzeit Omas und Tanten, Onkel, Cousinen usw. sehen.

    Toll, wie ihr euer Leben trotz all der Hindernisse bestreitet ❤️

    • Julie

      Liebe Saskia,

      ach weißt du, ich freue mich für jede*n, wo es anders und besser läuft. Und ich finde es schön, dass du hier nur Positives zu berichten hast! <3

  • Nicole

    Liebe Julia,
    Ich finde es so toll wie ihr das macht.
    Wir haben Gott sei Dank sehr viel Hilfe und beneide jeden der es schafft vorallem mit 6 Kinder.
    Ich finde dein Profil so toll und liebe deine Texte.
    Lustigerweise wohnen wir auch in Mindelheim. 😄
    Liebe Grüße Nicole

    • Julie

      Liebe Nicole,

      die Welt ist klein 🙂 Wir haben nicht wirklich die Wahl. Sicher würde ich es mir für meine Kinder auch anders wünschen, aber ich wollte ihnen die ständige Enttäuschung ersparen.

      Viele liebe Grüße

  • Nicole

    Liebe Julie,
    Ich finde es so toll wie ihr das macht.
    Wir haben Gott sei Dank sehr viel Hilfe und beneide jeden der es schafft vorallem mit 6 Kinder.
    Ich finde dein Profil so toll und liebe deine Texte.
    Lustigerweise wohnen wir auch in Mindelheim. 😄
    Liebe Grüße Nicole

  • Gwendolin

    Liebe Julie,
    schade, dass ihr keinen Rückhalt von euren Eltern habt. Aber besser man meistert es alleine als auf jemanden zurückgreifen zu müssen, dem man nicht vertraut. Und ihr macht das toll mit euren 6 Kindern. Wir haben zwar meine Eltern in direkter Nähe, aber „nutzen“ sie nicht um uns zu entlasten. „Paarzeit“ haben wir daher auch nicht wirklich. Meine Eltern sind 77 und 75, da müssen wir ihnen die Kinder nicht „aufdrücken“. Aber wir sehen meine Eltern oft und die Kinder und wir haben ein gutes Verhältnis zu ihnen. Und wir wissen, daß wir im Notfall immer auf sie zählen können. Das weiß ich zu schätzen.
    Liebe Grüße
    Gwendolin

    • Julie

      Liebe Gwendolin,

      ja, das Wissen darum, jemand im Rücken zu haben, der im Notfall einspringt, ist wirklich Gold wert! Ich finde es toll, dass ihr euch dessen bewusst sein könnt. 🙂

  • Martina

    ja die Sache mit der Familie,
    die meines Mannes ist tot. Meine ist 400km entfernt .Früher waren sie unser Netz.Sehr vertraut. Zeitweise war ich allein erziehend .Es war gut.Nun sind meine Eltern krank,pflegen meine Oma.Die ist 98.Dann sind da noch zwei große Kinder von mir.Eines ist 19 und mischt gerade alles auf .Ich kann sie nicht schützen.Sie lässt es nicht zu.Das war dieses Weihnachten herausfordernd.Mir fehlt die Familie gerade.Und die objektive Sicht drauf was wir hier leisten.Die Sehnsucht der Großeltern verklärt gerade die Sicht auf das was ist.Ja ich fühl mich gerade allein.

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