Wie wir uns von der Discounterwerbung hinters Licht führen lassen
Es ist Sonntag. Sonntags trudelt hier immer die Discounterwerbung ein. Bunt schillert sie, mit vielen ach so tollen Schnäppchen und neuerdings den Doppelseiten mit gesunden Dingen. Dingen, wie „High-Protein-Pudding“, der den faden Geschmack durch die doppelte Menge an künstlichem Süßstoff ausgleicht, und dreifach verpackten Biokeksen. Steht ja „bio“ drauf, also muss es gesund sein.
Manchmal frage ich mich wirklich, wer den Mist aus der Discounterwerbung kauft.
Wer sich ein bisschen mit Ernährung auseinandergesetzt hat, kann sich denken, dass 90 % der Angebote einfach Mist sind. Viele Lebensmittel stehen mit ihrem regulären Preis im Prospekt und dem Verbraucher wird suggeriert, was es da für geiles Zeug gibt. Und weil es im Prospekt steht, muss es ja ein Angebot sein oder? Denkste!
Obst, Gemüse und natürliche Produkte nehmen nur einen Bruchteil in der Discounterwerbung ein. Klar, die kann man auch nicht so cool bewerben. Oder wer würde es abkaufen, wenn dort stehen würde „Brombeeren in einer neuen Geschmacksrichtung! Exklusiv in unserem Supermarkt!“ ? Na?
Von Fleisch, Firmen und Bioprodukten
Seit Jahren wird hier im regionalen Verbrauchermarkt Fleisch angeboten. Auf den Bildern ist es wunderschön zubereitet und abfotografiert. Irgendwo steht klein geschrieben, so dass man es beinahe übersieht „gefroren und aufgetaut“. Natürlich im Sonderangebot für den doppelten Preis als wenn man es tatsächlich aus dem Gefrierfach abkauft. Man zahlt also für das gleiche Produkt den doppelten Preis und lässt sich vorgaukeln, es sei besser, gesünder und überhaupt frischer.
Die XXL-Packung Wurst in der Familiengröße von 500 g nimmt fast 1/4 der Prospektseite ein. Wer möchte nicht 500 g totes Tier, dessen Herstellungskosten den Verkaufspreis trotz Massentierhaltung übertrumpfen? Aber es wird als etwas Gutes, etwas, das man unbedingt kaufen sollte, präsentiert. Immerhin das kleine Schweinchen auf der Wurstpackung zeigt, dass das Produkt für manche Glaubensrichtungen ungeeignet ist. Dass das Produkt, voll mit Antibiotikum, einem Tier aus Massentierquälerei und Extremmast für eigentlich niemanden geeignet ist, da man so eine Industrie unterstützt, die das Leben nicht schätzt und gleichzeitig dem eigenen Körper schadet, wird unter den Tisch gekehrt.
Auch Alkohol und Energydrinks werden präsentiert, als sei es erstrebenswert, sich im Sommer nur von Bierdosen, Pseudococktails und Monster mit Fantageschmack zu ernähren. Ernsthaft?
Und dann wird einem vorgegaukelt, das Produkt des Herstellers, der in Drittweltländern die Einheimischen ausnutzt, indem er sie ihr eigenes Grundwasser erarbeiten und zurückkaufen lässt, sei der letzte heiße Scheiß. Durch Trinkkakao mit Erdbeergeschmack kann man diese tolle Firma also noch weiter bei der Ausbeutung anderer unterstützen, denn es ist ja lecker.
Oder hast du schon einmal die Biokekse in der Discounterwerbung bemerkt, die dreifach in Folie verpackt wurden – also total umweltbewusst und nachhaltig (Achtung Ironie) – und mit braunem Zucker gesüßt wurden, weil das ja auch so viel besser ist als der weiße. Oder mit Honig, dessen Energiedichte genauso mies ist. Aber hey, es ist bio. Dabei ist bio nachweislich gar nicht signifikant besser in der Herstellung, auch wenn man sich beim Kauf besser fühlt.
Manchmal wünschte ich, Discounterwerbung würde so aussehen:
Fertigprodukte nehmen nur einen kleinen Anteil in der Werbung ein. Künstliche Zusatzstoffe in den Lebensmitteln stehen schon im Prospekt gut sichtbar, um Allergiereaktionen oder Produkttäuschungen vorzubeugen. Auch gibt es keine geschönten Bildchen mehr mit klitzekleiner Schrift *Serviervorschlag*, sondern das Produkt, wie es beim Kauf aussieht. Es wird klar schon im Prospekt deklariert, dass Zucker durch anderweitige Austauschstoffe ersetzt wurde und wodurch der Geschmack im fettreduzierten Produkt (denn Fett ist ein Geschmacksträger und nicht per se schlecht) hergestellt wird.
Ich wünsche mir mehr Discounterwerbung mit natürlichen Lebensmitteln, wie Obst und Gemüse und Hülsenfrüchte, die nicht in Folien, sondern in Glas oder gänzlich unverpackt sind. Produkte, die man selbst zubereiten muss, was meist übrigens genauso viel Zeit in Anspruch nimmt, wie Tütchen einzurühren oder vor der Mikrowelle zu warten.
Und ich wünsche mir mehr Rezepte mit natürlichen Lebensmitteln in den Werbeblättchen. Denn wie viele Produkte werden nicht gekauft, weil die Eingebung fehlt, was man daraus zaubern kann.
Ich will mich nicht nur von Fertigpizza und fertig paniertem Fisch ernähren, ich will keine mit künstlichen Proteinen gepanschten Puddings oder Produkte von ausbeuterischen Firmen. Nein! Ich will Inspiration durch frische Produkte ohne unnötige Verpackung.
Die Mischung macht’s!
Hier gibt es auch Fertigprodukte. Meine Nusscreme rühre ich mir auch nicht immer selbst an. Und manchmal kaufe ich sogar schon fertig gemischten Salat, einfach aus dem Grund, dass da weniger Verpackungsmüll anfällt, als wenn ich alles einzeln kaufen und mischen würde. Sogar Fertigpizza schafft es etwa einmal im Quartal in den Einkaufswagen. Aber das Leben bietet so viel mehr als Fertigfraß (und ja, das Wort setze ich hier bewusst) und Softdrinks.
Es gibt da draußen so viele tolle Lebensmittel, die aufgrund der Kochfaulheit einiger und der Profitgier der Discounter komplett ins Aus geraten. Dabei kann Kochen Spaß machen. Ernährung kann Freude bereiten. Und man tut sich und seinem Körper nebenbei noch Gutes, wenn man den ganzen künstlichen Mist, der in der Discounterwerbung als die Erfüllung aller Träume präsentiert wird, reduziert.
Und wenn man sich ein bisschen Zeit nimmt, die Prospekte und deren Produkte hinterfragt, merkt man ganz schnell, dass da mehr Schein als Sein ist. Das hochgejubelte Puddingpäckchen ist nichts als Aroma und Speisestärke, statt dem Tütchen für Bolognesesoße nimmt man einfach italienische Kräuter und wer wirklich gute Pizza zu schätzen weiß, wird kaum auf diese Frisbeescheiben zurück greifen.
Für mehr Transparenz für Verbraucher in der Discounterwerbung
Ich glaube ja wirklich, wäre Werbung ehrlicher und wären die Produkte wirklich so gut und sinnvoll, würde sich das meiste genauso gut verkaufen. Denn ich zahle gern für Produkte, die meinem Körper gut tun und ihn mit Nährstoffen versorgen. Aber für Pappe mit Aroma? Oder für kastrierte Lebensmittel, die anderweitig gestreckt werden? Das ist halt auch nur toll, weil es so lange vorgegaukelt wird, bis man es selbst verinnerlicht hat.
Und ich hoffe ehrlich, dass der ein oder andere, der das hier liest, die nächsten Prospekte und Werbeflyer genauer anschaut und mehr hinterfragt als bisher. Vielleicht auch nur in kleinen Schritten. Aber auch die machen schon etwas aus, wenn sie in die richtige Richtung gehen.
Herzlichst, die Julie
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PS: Wie wäre es mit Obst von Streuobstwiesen? Billiger und nachhaltiger geht es kaum. Es braucht nur ein bisschen Zeit.
3 Kommentare
Mario
Das Problem heutzutage ist einfach, das vielen (schon in der Werbung, egal ob TV oder Sonntagszeitung) gar nicht mehr bewusst ist, wie viel Müll sie in sich reinschaufeln. Ich meine, jeder hat sich schon mal so etwas gegönnt und da spricht auch gar nichts gegen. Aber schauen wir uns doch mal an wie die Preisgestaltung ist: oftmals ist eine Tafel Schokolade günstiger als Obst. Also was kaufen sich die meisten? Richtig, Dinge die schnell und einfach gehen. Traurig aber wahr
Julie
Da muss ich dir recht geben. Wobei ich finde, dass saisonales Obst und Gemüse wirklich erschwinglich sind. Aber dafür müsste man eben zum Beispiel im November auf Erdbeeren verzichten.
Nele Oryx&co
Guter Text! Ich finde es auch immer merkwürdig, wie viel Zeit ihres Lebens manche solchen Prospekten widmen, selbst wenn sie am Ende gar nichts kaufen. Aber man könnte ja was verpassen …